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Im Bezirk Miyagi im Norden Japans haben sich Menschen auf das Dach eines Gebäudes im Hafen von Kesennuma gerettet

Foto: AP/Keichi Nakane
Grafik: Der Standard

Tokio/Wien - Beinahe täglich bebt in Japan die Erde. Dementsprechend gehört die Vorbereitung auf Erdbeben in dem Land für die Bevölkerung zum Alltag. In Schulen lernen Kinder, wie sie sich im Ernstfall zu verhalten haben, auf Behördenwebsites finden sich Listen mit Handlungsanweisungen, und jedes Jahr finden am 1. September groß angelegte Übungen statt.

Dieser Tag ist der Jahrestag des verheerenden Bebens von 1923 in Kanto, bei dem 140.000 Menschen starben. An den jährlich abgehaltenen Großübungen nehmen bis zu einer Million Menschen teil, darunter Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute und Mitarbeiter der Küstenwache. Die Regierung hält Notstandssitzungen ab. In den Schulen bringen sich Kinder und Lehrer unter den Tischen in Sicherheit und versammeln sich später im Schulhof.

Im Jahr 2008 nahm man bei der Großübung ein zweifaches Beben mit jeweils der Stärke 8,6 an - Experten rechneten bei dieser Annahme trotz aller Vorbereitungen mit 18.000 Toten. Rund 600.000 Menschen nahmen damals am großflächigen Katastrophentraining teil. Seit Jahrzehnten in- vestiert der japanische Staat in Vorhersage-Forschungsprojekte - doch bisher blieben derartige Bemühungen weltweit erfolglos.

Alarm ohne Wirkung

Die Vorhersage von Flutwellen ist dagegen sehr wohl möglich. Schlägt das Tsunami-Frühwarnsystem des Landes Alarm, nimmt die Bevölkerung das allerdings nicht mehr so ernst, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Bericht darlegte. Dem Bericht nach folgten nur sechs Prozent der Küstenstriche einer von der nationalen Meteorologiebehörden ausgegebenen Tsunami-Warnung. Das Ziel, dass die Warnung innerhalb von drei Minuten die Bevölkerung erreicht, sei in weiten Teilen verfehlt worden.

Weltweit ein Vorreiter ist Japan allerdings beim erdbebensicheren Neu- oder Umbau von Gebäuden. Um erdbebensicher zu bauen, setzt man auf ausgeklügelte Techniken mit Stoßdämpfern und sich deformierenden Materialien, die die Eigenschwingungen von Gebäuden abschwächen. Die tragenden Pfeiler schlecht gebauter Häuser der ärmeren Bevölkerung werden mit langen Polyesterstreifen verbunden, um Erdbebenschäden vorzubeugen.

Bahnhof auf Stelzen

Der 1914 errichtete Tokioter Bahnhof wurde in den vergangenen Jahren nachträglich auf Isolatoren aus einem Bleikern, Gummi und Stahl gestellt. Sechs Prozent der Kosten fielen bei der Renovierung ausschließlich auf Erdbebenschutz.

Auch Gas-, Wasser und Stromleitungen sowie Telefonkabel werden in Tokio nicht einfach nur verlegt, sondern sie verlaufen in weiten Teilen der Stadt durch große Versorgungstunnel tief unter den Straßen der Millionenmetropole. Je tiefer das Tunnelsystem liegt, desto besser, denn im Untergrund sind die Vibrationen schwächer als an der Oberfläche.

Bei schweren Beben, die die Stufe 6 auf der Richterskala überschreiten, werden vom Zivilschutz Teile des Festnetztelefonnetzes im Land fallweise ausgeschaltet - damit soll eine Überlastung durch Anrufe besorgter Verwandter und Freunde verhindert und das Netz so für die Koordination der Rettungseinsätze freigehalten werden.

Damit die Bevölkerung dennoch die Möglichkeit hat, im Katastrophenfall Angehörige zu kontaktieren, wurde eine Art virtueller Anrufbeantworter eingerichtet: das "Disaster Message Exchange Board". Dabei wählt man die Telefonnummer 171, gibt seine Telefonnummer und Postleitzahl ein und kann dann anderen Nachrichten hinterlassen beziehungsweise diese abhören. (red, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.3.2011)