Wolfgang Renneberg (60), Physiker und Jurist, war bis 2009 Leiter der Reaktorsicherheit im deutschen Bundesumweltministerium und Chef der Bundesatomaufsicht. Seither leitet er das Büro für Atomsicherheit.

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STANDARD: Wie wichtig ist die Kühlung für die Reaktorsicherheit?

Renneberg: Sie hat den zentralen Stellenwert. Wenn die Kühlung ausfällt, schmilzt über kurz oder lang der Kern. Was das bedeutet, kennen wir aus Tschernobyl.

STANDARD: Gibt es Ersatzsysteme, die sofort greifen würden?

Renneberg: Die Frage ist, ob das Notkühlsystem und andere Kühlmöglichkeiten betroffen sind. In diesem Fall kommt es zu einer Kernschmelze. Aber das lässt sich von hier aus nicht beurteilen.

STANDARD: Könnte man eine drohende Kernschmelze aufhalten?

Renneberg: Aufhalten kann man sie nur durch Kühlung, anders nicht. Das ist ein Feuer, das man nicht löschen kann. Man kann nur die Wärme abführen und dadurch verhindern, dass das Feuer den Behälter kaputt macht, der es einschließen soll.

STANDARD: Was bedeutet ein Brand für die Sicherheit eines Reaktors?

Renneberg: Wenn der Brand entfernt vom Kühlkreislauf stattfindet, ist die nukleare Sicherheit nicht unmittelbar betroffen. Aber: Kann sich der Brand ausdehnen? Kann er auf die elektrische Versorgung der Kühlpumpen übergreifen? Wenn der Brand durch eine Überflutung verursacht wurde, könnte Wasser in Gebäudeteile eingebrochen sein, in denen elektrische Sicherheitssysteme sind.

STANDARD: Wie groß wäre die Reichweite im Falle eines GAUs?

Renneberg: Die für Gesundheitsschäden relevante Reichweite kann durchaus über 1000 Kilometer liegen. Es ist nicht zu erwarten, dass Europa betroffen wäre.

STANDARD: Gibt es überhaupt erdbebensichere Reaktoren?

Renneberg: Die Kernkraftwerke in Japan sind besonders schwach gegen Erdbeben ausgelegt. Wir hatten 2005 am selben Standort ein Erdbeben, das die Auslegungsgrenzen des Kernkraftwerks überschritten hat. Das betroffene Kraftwerk gehört zu den modernsten in Japan, was aber nichts über die Erbebensicherheit aussagt. (Julia Herrnböck, DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.3.2010)