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Archivbild: Die Atomanlage Daiichi in Fukushima

 

Foto: REUTERS/KYODO/Files

Tokio - Erstmals in der Geschichte des Landes rief Japans Regierungschef Naoto Kan am Freitag den nuklearen Notfall aus.

Das muss in Japan geschehen, sobald radioaktive Strahlung austritt, der Kühlwasserstand einen gefährlich niedrigen Wert erreicht oder das Kühlsystem in einem Atomreaktor ausfällt. "Wir wollen auf das Schlimmste vorbereitet sein. Wir tun alles in unserer Macht stehende, um mit der Situation fertig zu werden." erklärte Regierungssprecher Yukio Edano die Maßnahme.

Das Erdbeben - mit einer Stärke von 8,9 das stärkste jemals gemessene in Japan - löste am Freitag Störfälle in mehreren Atomkraftwerken aus. Einige wurden sofort abgeschalten, in Fukushima versagte das Kühlsystem eines Atomkraftwerkes, in Onagawa löste das Beben ein Feuer in einem Turbinengebäude aus, das später gelöscht werden konnte.

Anrainer evakuiert

2000 Anrainer, die im Umkreis von drei Kilometern zu dem Reaktor Fukushima leben, wurden evakuiert. Eine Sicherheitsmaßnahme, verkündeten die japanischen Behörden. Das AKW Fukushima besteht aus sechs Druckwasserreaktoren und ist eines der größten der Welt. Das Kühlsystem versagte in Reaktor Nummer eins, der seit 1971 in Betrieb ist.

Die Regierung fürchtete eine radioaktive Verstrahlung, Techniker aktivierten das Notkühlsystem. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorensicherheit (GRS) in Köln warnte am Freitag, dass das Notkühlsystem in Fukushima nach japanischen Informationen nur noch im Batteriebetrieb laufen würde. "Im allerschlimmsten Fall droht dann eine Kernschmelze", sagte GRS-Sprecher Sven Dokter. Die US-Streitkräfte transportierten am Freitag Kühlmittel zu dem beschädigten Reaktor.

Die Atomenergiebehörde IAEO erklärte für Japan einen erhöhten Alarmzustand. Denn auch die Abschaltung der Reaktoren berge eine Gefahr, da nicht steuerbare Nachwärme auftreten kann. Laut Experten kann selbst ein abgeschaltetes AKW zu einem GAU führen, der nukleare Brennstoff muss dauerhaft gekühlt werden.

Atomreaktor einer der sichersten Orte

Entwarnung kommt dagegen von Helmut Böck, Professor für Reaktorsicherheit an der TU Wien: "Kernkraftwerke in der Art, wie sie in Japan existieren, haben neben dem Hauptkühlsystem auch ein Notkühlsystem, das völlig unabhängig arbeitet und extern über eine Sicherheitsstromversorgung versorgt wird. Vom Ausfall einer Kühlung geht also keine große Gefahr aus." Er meint, ein Atomreaktor sei nach Sicherheitsstandards einer der sichersten Orte während einem Erdbeben.

In Japan sind derzeit 54 Atomreaktoren an 16 Standorten in Betrieb, weitere drei Atomkraftwerke sind im Bau und elf werden geplant.

Wegen der Erdbeben gelten dort besonders hohe Anforderungen an die Sicherheit der Kraftwerke. Bei Erdstößen werden Reaktoren automatisch abgeschaltet. Trotzdem kam es in der Vergangenheit nach Erdbeben zu Störfällen. Die bis dato folgenschwersten Störfälle gab es im Juli 2007 nach einem Beben der Stärke 6,6 in der Provinz Niigata. In der aus sieben Reaktoren bestehenden weltgrößten Atomanlage Kashiwazaki-Kariwa wurden etwa 50 technische Defekte registriert, die der Betreiber zunächst nicht gemeldet hatte.Unter anderem war aus einem Leck radioaktiv belastetes Wasser ins Meer geflossen.

Die am Meer liegenden Kraftwerke sind zusätzlich mit Mauern gegen Flutwellen gesichert. Nach dem verheerenden Erdbeben in Kobe 1995 wurden die Vorschriften noch einmal verschärft. (red, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.3.2011)