Grafik: STANDARD

Wien - "Es wird sehr schwer, auf einen grünen Zweig zu kommen": Ulrich Schuh hegt Zweifel an der Schlagkraft der (auch) politisch besetzten Pensionskommission, die im März Reformen vorschlagen will. Also prescht das Institut für Höhere Studien (IHS) in Gestalt von Leiter Bernhard Felderer und Fachmann Schuh vor.

Die Ausgangslage schätzt das IHS als unverändert dramatisch ein. Laut realistischstem Szenario werde der Zuschuss aus Steuergeld ins Pensionssystem bis 2050 von 2,8 Prozent auf rund sechs Prozent steigen. Weil das angesichts anderer notwendiger Ausgaben (Bildung!) nicht finanzierbar sei, müsse die Politik schleunigst gegensteuern - und zwar indem sie ernsthaft versucht, das Pensionsantrittsalter anzuheben.

Dieses Ziel hätten die Reformen der Jahre 2003 und 2004 verfehlt: Obwohl die Lebenserwartung rasant steigt, bleibt das Antrittsalter konstant niedrig (siehe Grafik). Auch die Erwerbsquote habe nur vorübergehend zugenommen und sei nun schon seit Jahren unverändert. "Bei den Älteren fällt sie immer noch so steil ab wie der Zielhang der Streif", sagt Schuh.

Um das Pensionsantrittsalter in zehn, 15 Jahren um fünf bis sechs Jahre anzuheben, empfehlen die Experten die Schließung diverser "Schlupflöcher" in die Frühpension. Die teuerste Variante sei die Invaliditätspension, die 2009 ein Drittel aller Neopensionisten in Anspruch nahm. "Mit schlechtem Gesundheitszustand allein ist das nicht zu erklären", meint Felderer. Die Leute seien aber auch nicht "faul", sondern handelten aus ihrer Sicht einfach "vernünftig", wenn sie die "attraktiven Möglichkeiten" nützten.

Sind durchschnittlich 900 Euro Pension wirklich so verlockend? Wenn die Betroffenen in schlechteren Jobs oder Arbeitslosigkeit bis 65 durchhielten, bekämen sie am Ende womöglich noch weniger, meinen die Forscher. Ihr Gegenrezept: Wer künftig in seiner Erwerbstätigkeit beeinträchtigt ist, soll nicht mehr im Ruhestand verräumt werden, sondern dank Schulungen und gesundheitsfördernder Maßnahmen auf jeden Fall am Arbeitsmarkt gehalten werden. Der von der Regierung geplante Ausbau der Rehabilitation sei löblich, sagt Schuh, gehe aber am Kern des Problems vorbei.

Andere Vorschläge des IHS: Das Regelpensionsalter der Frauen von 60 Jahren schon vor 2033 an jenes der Männer (65 Jahre) anpassen, die Abschläge bei Antritt vor diesem Alter ("Korridorpension") erhöhen und das Pensionssystem durchschaubarer machen.

Keine sinnvolle Option sei eine Erhöhung der Pensionsbeiträge und des Steuerzuschusses, was zu gedämpftem Wachstum und höherer Arbeitslosigkeit führen würde. Auch die Hoffnungen auf positivere Prognosen zerstreut Schuh. Nach Kritik an "zu pessimistischen" Annahmen der Pensionskommission im Herbst hatten er und andere Experten zwar neue Szenarien berechnet, im Kern der Sache habe sich aber nichts verbessert: "Die Zeitbombe tickt." (jo, DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2011)