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Der moderne Mann ist im Vorfeld um eine gleichberechtigte Elternschaft sehr bemüht.

Foto: APA/Heiko Wolfraum

Krisenstimmung bei den Scavos in der Wisteria Lane: Tom litt zuletzt in einer Episode der US-Kultserie "Desperate Housewives" an einer postpartalen Depression. Von seinem Arzt bekam er einen Folder über den männlichen Baby-Blues ausgehändigt. 

Männer mit nachgeburtlichen Depressionen erfahren relativ wenig Aufmerksamkeit. Lynette, Toms Ehefrau, hielt die Diagnose ebenfalls für einen schlechten Witz. Dabei tritt das Phänomen auch beim starken Geschlecht gar nicht so selten auf. Konkret holt einen von zehn Männern postpartal ein Seelentief ein. Den Höhepunkt ihrer Depression erleben die Väter drei bis sechs Monate nach der Geburt des Kindes. Das haben Wissenschaftler der Eastern Virginia Medical School in Norfolk mit Hilfe einer Meta-Analyse herausgefunden.

Vom Baby-Blues zur Wochenbettdepression

Mütter und Wochenbettkrisen sind dagegen eine ebenso bekannte wie anerkannte Kombination. Immerhin überfällt 70 Prozent aller Wöchnerinnen kurz nach der Geburt das große „Heulen". Eine anstrengende Entbindung, schlaflose Nächte und die Angst der neuen Aufgabe nicht gerecht zu werden, werden unter anderem für die heftige Stimmungslabilität verantwortlich gemacht. Meist ist der Spuk, der sich „Baby-Blues" nennt, aber innerhalb weniger Tage vorbei. Bei 10-15 Prozent aller Frauen verschlechtert sich das psychische Tief in den kommenden Monaten bis hin zur Wochenbettdepression. Das klinische Bild unterscheidet sich nicht prinzipiell von anderen Depressionen. Als Besonderheiten werden jedoch Gefühle der Gefühllosigkeit gegenüber dem Neugeborenen beschrieben und viele Mütter berichten auch von Zwangsgedanken, dem eigenen Kind Schaden zuzufügen. 

„Der Baby-Blues ist beinahe etwas Physiologisches", weiß Peter Vitecek, Psychotherapeut und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in Wien und bezieht sich dabei vorwiegend auf das weibliche Geschlecht. „Heultage" wie auch postpartale Depressionen bei frischgebackenen Müttern führt der Psychiater weniger auf hormonelle Veränderungen zurück, als vielmehr auf ein soziales Umfeld, das sich in dieser Phase der Neuorientierung wenig unterstützend oder verständnisvoll zeigt.

Persönliche Kränkung und finanzieller Druck

Die Lebensumstände sind es auch, die Männer in postpartale Depressionen treiben. Entscheidend ist hier unter anderem der „Verlust" der Partnerin. „Viele Männer empfinden es als persönliche Kränkung, wenn sich die Frauen nun mit Hingabe dem Nachwuchs widmen", betont Vitecek.
Dabei ist der moderne Mann im Vorfeld sehr um eine gleichberechtigte Elternschaft bemüht. Vom Beginn der Schwangerschaft, bis hin zur Geburt schwingt er quasi im Gleichklang mit seiner Frau. Er legt an Gewicht zu, besucht Geburtsvorbereitungskurse und ist heute im Kreißsaal ganz selbstverständlich dabei. Ist der ersehnte Nachwuchs dann da, übernimmt aber nach wie vor die Mutter überwiegend die Kinderbetreuung, während der Vater die Familie finanziell versorgt. Aktuelle Zahlen bestätigen diese traditionelle Rollenverteilung: Nur 4,6 Prozent aller Männer legen in Österreich derzeit nach der Geburt eines Kindes ihre Karriere auf Eis. 

„Die neue familiäre Situation bringt viele Männer gewaltig unter finanziellen Druck", betont der Vitecek, ohne dabei die männliche Karenzscheu zu werten. Vielmehr zieht er eine Verbindung zur männlichen postpartalen Depression. Eine US-Metastudie aus dem Jahr 1996 gibt ihm hier Recht. Der Zusammenhang zwischen niedrigem sozialem Status und postpartalen Depressionen (O'Hara and Swain 1996) fand sich darin bestätigt. „Kinder bringen finanzielle Einbußen, sei es in dem die Familie gezwungen ist eine neue Wohnung zu beziehen, oder aber ein neues Auto zu kaufen. Männer fühlen sich hier oft überfordert", ergänzt der Psychiater.

Alkohol als Lösung

Was die Diagnostik und damit die Therapie beim Mann noch erschwert: Er erfüllt mitunter nicht das klassisch klinische Bild einer Depression und redet im Unterschied zur Frau auch nicht über seine Probleme. „ Die österreichische Lösung für Männer mit Depressionen ist der Alkohol", mutmaßt Vitecek und sieht das Grundproblem postpartaler seelischer Probleme in einer „misslungenen Kommunikation" zwischen den Ehepartnern. Neben dem familientherapeutischen Ansatz, betrachtet er die Bekämpfung von Armut als entscheidende präventive Maßnahme, der Spirale aus nachgeburtlicher Depression und Hoffnungslosigkeit zu entkommen. (derStandard.at, 16.03.2011)