Bild nicht mehr verfügbar.

Zu wenig Sonne: Der Organismus reagiert empfindlich darauf.

Foto: APA/Matthias Rietschel

Es ist sieben Uhr und stockfinster. Der Wecker summt, aber die innere Uhr zeigt "Schlaf" an. Wie alle höheren Lebewesen orientiert sich auch der Mensch am Rhythmus des Tageslichts, passt ihm seine Aktivitäten, seinen Schlaf-Wach-Rhythmus an. Das Dilemma: Arbeits- und Schulzeiten laufen mit den natürlichen Rhythmen nicht synchron, das zirkadiane System des Menschen wird gestört. Verschärft wird die Irritation durch den Aufenthalt in schlecht beleuchteten Räumen.

Lichtmangel ist eine der Ursachen für den "Winterblues". Therapeuten setzen gegen die Winterdepression Kunstlicht ein. Lichttherapiegeräte werden mittlerweile auch zum Hausgebrauch angeboten. Die Stiftung Warentest bescheinigt ihnen Wirkung, entsprechende Helligkeit vorausgesetzt. Antidepressiv wirken die Lampen ab 2500 bis 10.000 Lux.

Wer schlecht schläft, sollte überprüfen, unter welchen Lichtbedingungen er lebt und arbeitet. "Lichtmangel kann bei prädisponierten Personen dazu führen, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus aus dem Takt kommt, was letztendlich in Schlafstörungen resultiert", sagt der Wiener Psychiater Dietmar Winkler.

Warum jemand die Anlage zum Tag- oder Nachtmenschen hat, ist noch ungeklärt. Eine mögliche Erklärung für die Prädisposition, die genetisch bedingte Anlage, liefern Forscher der Vanderbilt University: das Geburtsdatum. Was aber nichts mit Astrologie zu tun habe, versichert Studienleiter Douglas McMahon, sondern mit Biologie. In Versuchen an Mäusen haben die US-Forscher herausgefunden, dass im Winter geborene Mäuse anders auf Veränderungen des Hell-Dunkel-Rhythmus reagieren als Sommermäuse. Setzt man Wintermäuse längeren Dunkelperioden aus, verkürzen sie ihre Aktivität. Sommermäuse bleiben in ihrer Aktivität auch in der Winterzeit stabil. McMahon leitet daraus ab, dass jahreszeitliche Lichtzyklen die Hirnentwicklung des Neugeborenen beeinflussen. Es könnte sein, leitet McMahon aus dem Tierversuch ab, dass die biologische Uhr nicht nur die Stimmung des Menschen prägt, sondern auch deren Persönlichkeit.

Licht und Wohlbefinden

Die Wirkung des Lichts auf Gesundheit und Wohlbefinden ist noch ein junges Forschungsfeld. Man weiß, dass Menschen meist bei wenig Licht arbeiten und lernen müssen. Verglichen mit dem Tageslicht (je nach Jahreszeit 10.000 bis 100.000 Lux) herrscht in Büros mit durchschnittlich 500 Lux Dämmerstimmung, in Altenheimen und Schulen mit 300 Lux Düsterheit. Licht kann erst ab einer Stärke von 2000 Lux seine biologische Wirkung, die Unterdrückung des Schlafhormons Melatonin, entfalten. In Schach gehalten wird das Melatonin durch einen Fotorezeptor in der Netzhaut, der das Protein Melanopsin enthält. Ist es hell, wird die Melatonin-Produktion gebremst, ist es dunkel, wird das Schlafhormon ausgeschüttet.

In einem ersten Feldversuch im Wiener Pflege- und Sozialzentrum Rennweg sammelten die Caritas Socialis und der Leuchtenerzeuger Zumtobel Erfahrungen mit dem Einsatz von dynamischem Licht. Das Tageslicht simulierende Kunstlichtsystem wurde auf einer Demenzstation eingesetzt, wo Menschen nur selten Tageslicht genießen können. "Unser Ziel ist es, diesen Menschen wieder das Tag-Nacht-Gefühl zu geben - durch den Rhythmus hell am Tag, dunkel in der Nacht", erklärt Peter Dehoff, Leiter der Abteilung Strategische Lichtanwendung bei Zumtobel.

Es wurden zwei Lichtdecken, ausgestattet mit Leuchtstofflampen, installiert, die den Aufenthaltsräumen und Verbindungsgängen "genau diese Helligkeit und Farbtemperatur geben, die man sonst von Tageslicht kennt" (Dehoff). Das Weiß des Lichts erscheint je nach Lichttemperatur bläulich kühl (aktivierend) oder gelblich warm (dämpfend). Die Dynamik bekommt das Licht über eine zentrale Steuerung. Lichtexperte Dehoff: "Wir beginnen am Morgen mit dem Warm-Weiß, wechseln dann am Mittag auf Tageslicht-Weiß und fahren am Nachmittag wieder zurück auf das Warm-Weiß. Gleichzeitig verändern wir die Beleuchtungsstärke, also den Grad der Helligkeit."

Die positive Wirkung stellte sich bereits nach kurzer Zeit ein. "Vor allem die sehr unruhigen, getriebenen Menschen wurden ruhiger", schildert Pflegedienstleiterin Barbara Schwarzmann.

Positive Effekte

Der Menschen in bestimmten Demenzphasen eigene Wandertrieb und die damit verbundenen Schlafstörungen wurden geringer. Die Folgen von Tageslichtmangel, das Dahindämmern am Tag und Schlaflosigkeit in der Nacht, traten durch die Tageslichtsimulation seltener auf. Aus diesem ersten Versuch Positivwirkungen auf Demenzkranke generell abzuleiten erscheint Schwarzmann aber verfrüht: "Dazu war die Stichprobe zu klein." Eine Erweiterung des Studienprojekts ist geplant.

Positive Effekte zeigte der Einsatz von dynamischem Licht auch bei Schichtarbeitern. Ein Studie in einem Kärntner Industriebetrieb kam zu dem Ergebnis, dass die Steigerung der Helligkeit (von 1000 auf 2000 Lux) und unmerkliche Änderungen der Lichtrhythmen das Wohlbefinden in der Frühschicht steigern. Die Arbeitenden litten weniger unter Schlafstörungen, Ermüdungserscheinungen während der Arbeit wurden geringer.

Dynamisches Licht könnte auch den Schulalltag erleichtern. Bläuliches Licht macht Kinder aktiver und konzentrierter, gelbliches beruhigt sie wieder, ergaben Studien in Hamburg. Dehoff warnt aber davor, Licht manipulativ einzusetzen: "Wir können Kindern, die ja schon im Dunkeln raus müssen, mit Licht helfen, schneller in den Lernalltag zu finden. Unglückliche Schultage können wir aber nicht verhindern." (Jutta Berger, DER STANDARD Printausgabe, 20.12.2010)