Bild nicht mehr verfügbar.

Kurz vor Weihnachten könnte der OGH über die Freilassung von Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner entscheiden. Ruth Elsner stellte ein neues Teil-Gutachten liegt vor.

Foto: APA/Herbert Neubauer

Langzeit-U-Häftling Helmut Elsner erhält keine Fußfessel und bleibt weiter in Untersuchungshaft. Hermann Gerharter, ehemaliger Konsum-Chef, von Elsner einst mit Geld im Plastiksackerl beschenkt, darf seine Strafe in seiner Villa verbüßen, der Ex-Boss der Hypo Group Alpe Adria, Wolfgang Kulterer, gegen eine Kaution in den überwachten Hausarrest.

Der bei Elsner angeführte Grund: Fluchtgefahr. Ein Argument, das Elsners Anwälte bereits seit Beginn der Haft nicht gelten lassen. Ihr Argument: Von dem vielzitierten "Fluchtfonds" könne keine Rede sein und der angeschlagene Gesundheitszustand des Ex-Bawag-Chefs lasse eine Flucht überdies nicht zu. Fazit: Eine Fluchtgefahr hätte niemals, zu keinem Zeitpunkt, bestanden. Vielmehr bestehe "Enthüllungsgefahr" für ein "Justizregime, das sich offenbar zur Aufgabe gemacht hat, den größten Justizskandal der Zweiten Republik zu vertuschen", so Anwalt Andreas Stranzinger. Zu viele Fragen seien ungeklärt. Der Bawag-Prozess habe in seinem Verlauf unerklärbare Wandlungen genommen, ein Gutachter wurde als befangen abgesetzt, Ermittlungen gestoppt, die Anklage nie ausgeweitet. Dem Investmentbanker und einstigen Bawag-Spekulanten Wolfgang Flöttl sei uneingeschränkter Glaube geschenkt, die in den Sand gestzten Millionen nie gesucht worden und seien bis heute verschwunden.

Mitte Oktober schließlich zerpflückt die Generalprokuratur das erstinstanzliche Urteil und empfiehlt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entscheidet darüber am 22. und am 23. Dezember.

Nun präsentiert Ehefrau Ruth Elsner ein - privat finanziertes - Teilgutachten, das erneut schwere Vorwürfe gegen die Beteiligten im Prozess erhebt. Im Wesentlichen kommt Oliver Lintner, gerichtlich beeideter Sachverständiger im Fachgebiet Börsen- und Bankwesen, zu folgenden Ergebnissen: Der von Wolfgang Flöttl behauptete Totalverlust für das Jahr 2000 sei  zu 99,999 Prozent nicht eingetreten. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlusts habe bei 0,000015 Prozent gelegen. Stranzinger: "Das kommt der Wahrscheinlichkeit eines Weltuntergangs gleich." Das Gutachten weiter: Der angebliche Verlust der Handelsergebnisse durch ein - wie von Flöttl behauptetes - Computer-Gebrechen sei denkunmöglich. Ruth Elsner: "Am 8. September 2000 informierte uns Flöttl über seinen Totalverlust. Der Mann war völlig fertig, meinte, 'wenn mein Vater (ehemaliger Bawag-Generaldirektor und Elsner-Vorgänger, Anm.) davon erfährt, bringt er sich um'." Flöttl habe jede Schuld auf sich genommen, ein schriftliches Geständnis abgelegt (liegt derStandard.at vor), behauptete im Prozess dann das Gegenteil und sprach von Erpressung.

"Urteil für die Schreddermaschine"

Weiters kommt das Gutachten zu der Erkenntnis, dass der Totalverlust der sogenannten "Uni Bonds" in kurzer Zeit angesichts der Wertbestätigungen und der Risiko-Kennzahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Ruth Elsner: "Flöttl hat das Geld nicht verspekuliert. Er hat es verschoben, ein System Madoff aufgebaut." Die Frage nach dem Verbleib der Gelder sei schon deshalb so relevant, weil sie den Vorwurf der Untreue und damit Elsners Strafausmaß entscheidend entschärfen könnte. Die Prüfberichte von Arthur Anderson jedenfalls sprächen von reger Handelsaktivität Flöttls im Dezember 2000, also Monate nach dem behaupteten Gesamtverlust. Außerdem bestätigte die Wertbestätigung der International Asset Management (Flöttl 100-Prozent-Eigentümer, Anm.) noch per 31. 10. 2000 das gesamte Vermögen der Gesellschaften. Ruth Elsner und die Anwälte erkennen darin einen zeitlichen Widerspruch zu Flöttls Geständnis und seinen Aussagen im Prozess und vor dem Bundeskriminalamt.

Hinterfragt werden sollen auch die angeblichen Wertbestätigungen der Bank of Bermuda gegenüber Flöttl, die in keinster Weise internationalen Standards entsprechen würden. Offenbar kam es zu keiner "Net Asset Value Berechnung". Dennoch veräußerte Flöttl noch im Jahr 2006 ein Grundstück in der Karibik, das er zu diesem Zeitpunkt bereits der Bawag überschrieben hatte. Die Staatsanwaltschaft Wien erhielt davon Kenntnis (Fax liegt derStandard.at vor), reagierte laut Anwalt Stranzinger allerdings nicht.

Ruth Elsner: "Das ganze Urteil gehört in die Schreddermaschine. Flöttl gehört in U-Haft wegen vorsätzlichen Betrugs. Die damalige Richterin und ihr Staatsanwalt gehören in U-Haft wegen Verdunkelungsgefahr."

Sollte der OGH kurz vor Weihnachten die Untreue-Vorwürfe gegen Elsner aufheben, werde man in Berufung gehen und auf Freispruch plädieren. Zumindest müsste das Gericht das Strafausmaß an jenes der beiden anderen Verurteilten, Ex-Bawag-Vorstände Johann Zwettler und Ex-Bawag-Vorstand Peter Nakowitz, nach unten anpassen, erwartet Stranzinger. (Sigrid Schamall)