Ein Großaufgebot der Polizei wurde für die Räumung in die Baumgasse geschickt.

Foto: mob/derStandard.at

Mit Abschlepp-Trucks wurden ein Teil der mobilen Wohnungen vom Gelände, das der Firma Porr gehört, weggeschafft.

Foto: mob/derStandard.at

Ein Wohnwagen musste von seinem Besitzer händisch aus dem Firmengrundstück gezogen werden.

Foto: mob/derStandard.at

Die rechtliche Lage und Vorgangsweise ist, wie auf der Verordnung nachzulesen ist, eindeutig.

Foto: mob/derStandard.at

Alles in allem verlief die Aktion ohne Zwischenfälle - nach Diskussion mit dem Einsatzleiter konnten auch noch drei Fahrräder herausgeholt werden.

Foto: mob/derStandard.at

Jacob Schäfer, der in der Wagenburg in der Hafenzufahrtsstraße wohnt, hat zur Zeit auch wenig Freude mit der Stadtregierung.

Foto: mob/derStandard.at

Fünf Minuten nach Mittag schiebt der erste Abschlepp-Truck rückwärts auf das Gelände an der Adresse Baumgasse 131, 131 A und 131 B im dritten Wiener Gemeindebezirk. Damit ist die Räumung des Grundstücks, das sich im Besitz der Baufirma Porr befindet und vor etwa drei Monaten von der Wagentruppe Treibstoff besetzt wurde, endgültig im Gange. 

Keine zehn Minuten danach werden zwei Wägen von Mitgliedern der Gruppe herausgefahren, zwei weitere folgen kurz danach, ein Wohnwagen wird händisch herausgezogen. Alle anderen mobilen Wohnungen, einige davon fahruntüchtig, werden im Laufe der nächsten zwei Stunden abgeschleppt. Die Destination der umgebauten Last-, Bau- und Lieferwägen ist der Abstellplatz der Firma Toman, die von Porr für den Abtransport beauftragt wurde. Die Kosten dafür müssen die Treibstoff-Mitglieder bezahlen.

Großaufgebot der Polizei

Während der Räumung muss die Kreuzung an der Ecke Baumgasse/Litfaßstraße, die sich ganz in der Nähe der Südosttangente befindet, von der Polizei immer wieder kurzfristig gesperrt werden, damit die riesigen Trucks auf das Gelände können. Die ganze Aktion verläuft aber ohne Zwischenfälle. Vor dem Eingangstor haben sich rund zwei Dutzend SympathisantInnen der Gruppe Treibstoff versammelt, z.B. vom Wagenplatz in der Hafenzufahrtsstraße, in der Nähe der Freudenau.

Mindestens 60 PolizistInnen sind bei der Räumung im Einsatz. Die genaue Anzahl der BeamtInnen lässt sich allerdings nicht eruieren, da auf das Gelände Zutrittsverbot herrscht. Auf Rückfrage von derStandard.at bei der Pressestelle der Polizei werden keine genauen Zahlen genannt - die Anzahl der Einsatzkräfte sei wie immer in einem solchen Fall "als ausreichend zu beziffern".

Ausnahme für Radabholung

Das Zutrittsverbot wird im Laufe der Räumung aber nicht ganz rigoros exekutiert. So gelingt es schließlich zwei Mitgliedern von Treibstoff nach einem Gespräch mit dem zuständigen Einsatzleiter doch noch, ihre drei Fahrräder abzuholen. 

Ein marginaler Erfolg, wenn man die Konsequenzen für die ehemaligen BewohnerInnen in der Baumgasse betrachtet: "Mehr als 15 Leute haben kurz vor Wintereinbruch ihr Zuhause verloren. Wir müssen erst einmal überlegen, wo wir jetzt schlafen sollen", so einer der Betroffenen. "Aber wir werden nicht aufgeben, dass Vertreter der Stadt endlich mit uns über alternative Lebensformen reden."

Hundeschlinge im Gepäck

Wie sich die Räumung, die kurz nach neun Uhr in der Früh begann, aus Sicht der Treibstoff-Mitglieder abgespielt hat, erörtert einer von ihnen: "Wir waren vorher nicht informiert worden, sondern haben nur in der Früh plötzlich eine unverständliche Megaphon-Durchsage gehört. Gleich danach wurde fest an die Wagentür geklopft. Auf dem Gelände standen zirka 100 Uniformierte. Uns wurde auch gleich gedroht, alle Hunde mit einer Schlinge einzufangen."

Die Polizei habe keine Gesprächsbereitschaft erkennen lassen, wie der Treibstoff-Vertreter weiter berichtet, sondern auf jene Verordnung verwiesen, die am Eingangstor des Geländes und an den einzelnen Wägen angebracht worden war (siehe Bild links): "Gleich danach ging die Identitätsfeststellung los und wir mussten alle unsere Ausweise herzeigen. Uns war relativ schnell klar, dass wir keinen weiteren Handlungsrahmen haben und das Gelände verlassen müssen."

Eigentümer hat das Recht zur Räumung

Von Seiten der Firma Porr wollte man auf Nachfrage von derStandard.at keine Stellungnahme zu der Vorgangsweise abgeben. Die Rechtslage spreche aber eindeutig für die Grundstücksbesitzer, wie Peter Horn, Bezirksrat der Grünen im zweiten Gemeindebezirk, vor Ort bestätigt: "Der Eigentümer kann zwar die Nutzung als Wagenplatz erlauben. Gibt es aber keine Erlaubnis, hat er das Recht, den Platz räumen zu lassen."

Auch Horns Parteikollegin, die Neu-Gemeinderätin Martina Wurzer, hat in einer eigenen Aussendung auf das Thema Wagenplatz Baumgasse hingewiesen und Konsequenzen gefordert: "Die heute erfolgte überraschende Räumung des Wagenplatzes durch die Polizei trägt nicht zur Lösung der Probleme bei und zeigt ganz deutlich auf, dass die SPÖ einen Partner braucht, der in der Lage ist, Probleme sachlich und zielführend zu lösen, ohne neue Konflikte zu produzieren."

Neun Mal Umzug

Die Mitglieder von Treibstoff, die in den vergangenen eineinhalb Jahren insgesamt neun Mal ihren Standplatz wechseln mussten, fühlen sich von der Politik besonders im Stich gelassen. Sie berichten davon, dass es vor rund drei Wochen mit Vertretern der Stadt und der Firma Porr Gespräche gegeben habe, wo eine Lösung in Aussicht gestellt worden sei. "Nur war das eben vor der Wahl und jetzt interessiert es niemand mehr", lautet das ernüchternde Fazit der Gruppe.

Ebenfalls vor Ort bei der Räumung ist Jacob Schäfer vom Wagenplatz in der Lobau, der in Kooperation mit der Stadtregierung entstanden ist. Aber auch er fühlt sich seit zwei Tagen von den Verantwortlichen hintergangen. "Am 19. Oktober um halb sieben in der Früh sind plötzlich Bulldozer zwei Meter neben meinem Fenster vorbeigefahren", erzählt der Werbefachmann. "Am Tag zuvor wurde direkt neben unserem Grundstück, für das wir 800 Euro Miete pro Monat bezahlen, alles zersägt, zerhexelt und plattgemacht."

Drei Jahre lang Baustelle

Die Enttäuschung Schäfers ist auch deshalb groß, weil die Gruppe nicht informiert worden sei, dass diese Großbaustelle auf dem 5000 Quadratmeter großen Grundstück in den nächsten drei Jahren 24 Stunden lang in Betrieb sein wird. "Wir sind seit drei Monaten dort und haben 15.000 Euro in Sanitär- und Stromanlagen investiert und jetzt haben wir permanent Lärm, Staub und Flutlicht", so Schäfer. „Besonders makaber ist, dass eine Woche vor der Wahl von der Stadtregierung noch eine Gruppe in einem Touristenbus zu unserem Grundstück gebracht wurde, um uns als gelungenes Beispielprojekt zu präsentieren."

Aufgeben wollen Schäfer und seine MitbewohnerInnen aber nicht so schnell: "Wir bleiben vorerst einmal und werden schauen, ob der Baustellenlärm auszuhalten ist. Schließlich haben wir drei Jahre um diesen Platz verhandelt. Aber verarscht fühlen wir uns schon." (mob, derStandard.at, 21.10.2010)