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China, weichgezeichnet, das ist Taiwan. Im Bild das Hualingebirge bei Sonnenaufgang.

Foto: Imagemore C., Lts/Corbis

Anreise & Unterkunft

mit China Airlines direkt ab Wien oder Eva Air mit einem Stop.
Das Silks Place in der Tarokoschlucht.
Das Din Tai Fung in Taipeh wurde von der NY Times einst unter die zehn besten Lokale der Welt gewählt.

Infos: www.taiwantourismus.de

Grafik: DER STANDARD

Für Essen können sich Taiwaner begeistern. "Oh mein Gott, es ist der Kohl", schreit die junge Frau entzückt, als sich die Reihen der japanischen Touristen lichten und sie endlich in die Vitrine sieht. Dort steht es, das Prunkstück des Palastmuseums von Taipeh: der Jadekohl. Das Objekt hält, was der Name verspricht: Aus einem Stück Jade, dass aufgrund seiner unterschiedlichen Färbung als minderwertig galt, schnitzten chinesische Künstler im 19. Jahrhundert eine täuschend echte Nachbildung eines Kohls und machten es damit unbezahlbar - ein Meisterwerk der naturalistischen Gemüseplastik. Heute ziert das Werk Postkarten, Reiseführer und Kühlschrankmagneten.

Das Palastmuseum in Taipeh ist der Stolz Taiwans und die Schmach Chinas. Taiwan heißt offiziell Republik China. Die Insel Taiwan ist für die Regierung bloß eine Provinz, die Hauptstadt ist offiziell Nanjing und Taipeh nur provisorische Vertretung, solange Festlandchina von den Kommunisten besetzt ist. Das Problem: nur 23 Staaten, darunter außenpolitische Schwergewichte wie Swasiland, Palau und Tuvalu, sehen das noch so. Alle anderen erkennen das Land offiziell nicht an, für die Volksrepublik China ist die Insel eine abtrünnige Provinz.

Im Bürgerkrieg 1949 vertrieben die chinesischen Kommunisten die damals regierende Kuomintang-Partei, deren Führer Chiang Kai-shek und drei Millionen seiner Anhänger flohen auf die Insel im Pazifik. Den Großteil der Schätze, die die chinesischen Kaiser über Jahrtausende in Peking gehortet hatten, nahmen sie mit. Die Sammlung ist so groß, dass immer nur ein Prozent gezeigt werden kann, alle paar Monate werden die meisten Exponate ausgetauscht. 25 Jahre dauert es, bis alles einmal gezeigt wurde. Die Volksrepublik muss seit dem Bürgerkrieg damit leben, dass ein Haufen Aufständischer ihr nationales Erbe verwaltet.

Unzensiertes Internet

Taiwan ist China für Anfänger: EU-Bürger brauchen kein Visum, in jedem Hotel gibt es unzensiertes Internet, und Hunde essen ist per Gesetz verboten. Die Straßen sind sauber und haben keine Löcher, es gibt öffentliche Toiletten und Naturschutzgebiete, im Parlament sitzen mehrere Parteien, die bei freien Wahlen gewählt werden können. Weil Westler sich chinesische Namen nicht merken können, tragen Rezeptionisten oder Kellnerinnen, die eigentlich "schöne Morgenröte" heißen, Namensschilder, auf denen "Suzie" oder "David" steht. In Hightech-Parks forschen Wissenschafter an Bildschirmen für das US-Militär, die dünn und rollbar wie ein Blatt Papier sind, aus den Fabriken des Landes kommen der Großteil aller Computerchips. Daneben stehen Tempel, in denen fröhlich mit Räucherstäbchen gewedelt wird, Opfergeld verbrannt und Geister und Götter um Rat gefragt werden. Die Insel ist der Garten Eden aller Sinologie-Studenten, denen China dann doch zu wild ist.

Die Taiwaner haben eine sehr eigene Vorstellung davon, was eine Touristenattraktion ist. Besonders stolz sind sie etwa auf den Sonne-Mond-See, einen kleinen Bergsee, an dessen Ufern Hochhäuser aus den Sechzigern in den Himmel ragen und in dem Schwimmen verboten ist, weil man in ihm nicht stehen kann. An den Hängen rund um das Wasser wächst ein dichter Urwald aus Bananen, meterhohen Farnen und Betelpalmen, überall duftet es nach Jasmin. 80 Prozent der taiwanischen Hochzeiten werden an dem See gefeiert. Was Menschen aber nach der Hochzeitsnacht hier tun sollen, bleibt schleierhaft.

Seit einem Jahr führt von dem See eine Seilbahn über zwei Berge ins "Formosan Aboriginal Culture Village". Ein taiwanischer Ureinwohnerstamm errichtete hier auf seinem Land vor 20 Jahren einen Funpark mit Spaceshot und Hochschaubahnen. Eine Aborigine, die sich Angel nennt und einen Kunstblumenkranz im Haar und weiße Sportschuhe an den Füßen trägt, führt Besucher durch das angeschlossene Museumsdorf. "Wir haben die Tradition, Feinde zu jagen und ihre Köpfe zu jagen", erklärt sie ernst vor einer Wand mit Totenschädel. "Aber essen tun wir sie nicht." Daneben gibt es im Dorf eine Statue eines Jägers, der ein Reh mit bloßen Händen erwürgt, und einen riesigen Penis, den Frauen küssen sollen, wenn sie einen Sohn bekommen wollen.

Fast unberührt bleiben hingegen die Strände. Weil die Taiwaner nicht schwimmen können, warten tausende Kilometer weißer Sand darauf, kultiviert zu werden, nur im Süden und Norden gibt es bereits vereinzelt Badeorte. Besser erschlossen ist die Mitte der Insel: Dort erhebt sich ein Gebirge fast viertausend Meter über das Meer, in den 50er-Jahren ließ der Diktator Chiang Kai-shek Straßen durch die Berge treiben. An einem Tag können Besucher seither vom tropischen Strand in den Schnee fahren. Besonders spektakulär ist die Tarokoschlucht: azurblaue Flüsse haben hier einen hunderte Meter tiefen Keil in den Marmor geschnitten. In den Felswänden stehen immer wieder in schwindelerregender Höhe Tempel und Pagoden, manche geziert von riesigen Hakenkreuzen, dem buddhistischen Sonnenzeichen und in Taiwan auch ein Erkennungsmerkmal für vegetarische Lokale. Mitten in der Schlucht liegt das Luxushotel Silks, in dem betuchte Gäste im Dachwhirlpool liegend den Affen zusehen können, wie sie durch die grünen Wälder toben. Sogar Wanderwege gibt es, auf denen keine Autos fahren können und einem daher höchstwahrscheinlich kein Taiwaner begegnen wird. Wer ihnen auf den 3952 Meter hohen Yu Shan folgt, den Jade-Berg, der erblickt auf der einen Seite China, auf der anderen den Pazifik.

Alle Gänge gleichzeitig

Ein Höhepunkt auch außerhalb des Museums ist das Essen. Taiwaner essen viel und oft, für Gäste werden meist zehn Gänge kredenzt. Gegessen wird in großen Gruppen, alle Gänge kommen gleichzeitig auf den Tisch, und dank der kleinen Portionen können alle alles kosten. Gedämpfte Teigtaschen mit Shrimps, doppelt gebratenes Bauchfleisch vom Schwein, mit Limetten gedünsteter oder gebratener Fisch, Muscheln in Chilisauce, sautierte Blätter des Vogelnestfarns, Süßkartoffelpüree und Mangosaft. Für Experimentierfreudige gibt es Quallensalat, Seegurken und Hühnerfüße. Bloß beim Gemüse kann einem manchmal ein Schrei auskommen: "Oh mein Gott, es ist der Kohl!" (Tobias Müller/DER STANDARD/Rondo/15.10.2010)