Was die FPÖ und der deutsche SPD-Politiker Thilo Sarrazin über die Muslime in Europa sagen, ist inhaltlich weitgehend ident: Die Einwanderung der Muslime (in Österreich und Deutschland hauptsächlich Türken) war ein Fehler, sie leisten keinen nennenswerten volkswirtschaftlichen Beitrag, weil sie auch in der dritten Generation keinen sozialen Aufstieg vorweisen können, sie halten an ihrer orientalischen Kultur fest, die mit modernen westlichen Wertmaßstäben insbesondere in der Frauenbehandlung nicht vereinbar ist, sie sind zu viele, weil sie eine höhere Geburtenrate haben. "Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist, dass dort über weite Strecken Türkisch oder Arabisch gesprochen wird, die Frauen ein Kopftuch tragen und der Tagesrhythmus vom Ruf der Muezzine bestimmt wird" (Sarrazin in seinem neuen Buch "Deutschland schafft sich ab", DVA, aus dem Der Spiegel jetzt Auszüge druckt).

Der Unterschied besteht in den "Lösungs"-Ansätzen: Sarrazin will einen demokratisch legitimierten Assimilationsprozess in Gang setzen, die Strache-FPÖ will die Muslime teilentrechten, letztlich wohl entfernen.

Das ganze Leben umfassen

Ohne sich darauf einzulassen, kann man doch als gesichert festhalten, dass der jetzige Islam auch in seiner europäischen Ausprägung den Anspruch stellt, das ganze Leben der Gläubigen zu umfassen und damit auch zu regeln und dass ein nicht geringer Anteil der europäischen Muslime sich dem auch unterwirft. Davon kann im "christlichen" Europa keine Rede mehr sein. Die Religion spielt nicht (mehr) diese dominante Rolle und diese Errungenschaft sollte Europa im Zweifel verteidigen.

Der Anspruch der europäischen Muslime, ihre Religion - und den damit verbundenen Lebensentwurf - offen und selbstbewusst zu leben, wird aber eher stärker als schwächer. In Österreich ist das jüngste Beispiel dafür das Interview des scheidenden Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, in dem forderte, es müsse in jeder Landeshauptstadt eine "nach außen erkennbare" Moschee geben, "mit Kuppel und Minarett".

Alter orientalischer Stil

Schakfeh besteht also von der äußeren Form auf einem Modell des Islam aus dem 16.Jahrhundert. Denn die sofort erkennbare äußere Form der Moscheen hat zu dieser Zeit ihre Letztform gefunden (Minarette gibt es schon im 7. Jahrhundert). Es muss nicht unbedingt ein bauästhetischer Nebenaspekt sein, wenn ein Muslim auf dieser Form aus der Zeit der größten Machtausdehnung des Islam (unter den Osmanen) besteht. Obwohl es in Europa einige moderne Moscheen gibt, ist doch die Mehrzahl der Großneubauten (etwa in Köln) im alten orientalischen Stil gehalten. Sie sind so triumphalistisch wie es die barocken Großkirchen in Österreich (nach dem Sieg über die Türken) waren. Heutige christliche Kirchen in Europa sind meist nicht mehr triumphalistisch.

Dass die 500.000 Muslime in Österreich (davon vielleicht die Hälfte Staatsbürger), ein Recht auf Religionsausübung haben, ist unbestreitbar. Ob ihre Gotteshäuser im Stil des 16. Jahrhunderts gebaut sein müssen, darüber wird man mit ihnen diskutieren. Die größere Frage ist aber, ob die Muslime in Österreich und Europa längerfristig eine doch ziemlich abgegrenzte, "nach außen erkennbare" Groß-Minderheit bleiben wollen und sollen.(DER STANDARD Printausgabe, 25.8.2010)