Sieht aus wie ein junger Dalai Lama, ist aber weniger friedlich: Der Knabe Aang (Noah Riner) versucht in "Die Legende von Aang" das Gleichgewicht der Natur wiederherzustellen.

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M. Night Shyamalan: "Ich wollte große Oper machen.

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Wien - Der Regisseur M. Night Shyamalan ist berühmt geworden mit Filmen, in denen die Zuschauer nie so recht wissen, ob sie nicht gerade an der Nase herumgeführt werden. Meist spielt dabei das Jenseitige eine Rolle und die Art, wie es in unsere Welt hineinreicht - Geister wissen nicht, dass sie gestorben sind (The Sixth Sense); im Swimmingpool taucht eine Meerjungfrau auf (Lady in the Water); Menschen entdecken, dass sie unzerbrechlich sind (Unbreakable).

Dank dieser Mischung aus Suspense und Metaphysik werden Shyamalans Filme gerne als "supernatural mystery thriller" etikettiert. Das Problem ist nur, dass die Erwartung des Unerwartbaren, zum Markenzeichen geronnen, selbst irgendwann vorhersehbar wird. Vielleicht füllten Shyamalans Filme in letzter Zeit deshalb die Kinokassen nicht mehr so wie gewohnt. Und vielleicht hat er deshalb beschlossen, für sein neues Werk auf Dramaturgie weitgehend zu verzichten und seiner Vorliebe fürs Übernatürliche freien Lauf zu lassen. Jedenfalls sieht Die Legende von Aang - die Kinoadaption der animierten TV-Serie Avatar: Der Herr der Elemente - wie ein Potpourri aus den bekannten Elementen des Fantasy-Genres aus, ein kräftiger Schuss Martial-Arts-Kino inklusive.

Alle beherrschen irgendeine exotische Kampfkunst, die Aufmärsche der Armeen des Bösen werden aus sehr großer Höhe gezeigt, und Drachen kommen auch ins Spiel. Im Zentrum steht ein auserwählter Junge (warum nie Mädchen?), der alles ins Lot rücken soll.

Hinter dem Spektakel steckt eine simple Yin-Yang-Philosophie: Solange die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft im Gleichgewicht sind, ist alles in Ordnung. Sollte sich eines der Elemente gegen die anderen erheben, kippt der Lauf der Dinge ins Unerfreuliche. Dass das nicht passiert, darüber wacht der "Avatar". Er ist bloß vor vielen Jahren verschwunden. Seither hat die Nation des Feuers die Macht übernommen. Dann taucht der Knabe Aang (Noah Ringer) auf. Er sieht ein wenig aus wie ein sehr junger Dalai Lama, ist aber nicht ganz so friedlich. Er ist der Avatar, allerdings beherrscht er nur eines der Elemente. Daher braucht er die Hilfe der anderen Elemente-bändiger. Im ersten Teil der als Trilogie angelegten Serie ist das Wasser dran.

Der Film beginnt denn auch in einer Schnee- und Eislandschaft am Nordpol. Gedreht wurden die Szenen auf Grönland. "Es ging mir darum, das Fantasy-Abenteuer an einem realen Schauplatz zu eröffnen. Die Story sollte in der Wirklichkeit geerdet sein, auch wenn das für das Team und die Schauspieler bedeutete, bei minus vierzig Grad zu arbeiten", sagt Shyamalan im Gespräch mit dem Standard. Ob er unter solchen Bedingungen nicht lieber doch einen Trickfilm gemacht hätte? "Nein, auf keinen Fall. Die Fernsehserie fühlt sich an wie eine Spielfilmidee, die in einen Cartoon gezwängt wurde. Das sehen die Macher der TV-Serie genau so - das sind echte Kinoliebhaber!"

So schwelgt der Film in malerischen Landschaften. Ständig übt jemand Tai-Chi vor Wasserfällen oder lässt per Willenskraft herbstliches Laub durcheinanderwirbeln. "Ich wollte mit dem Film ganz große Oper machen", gesteht Shyamalan. "Auch die Action sollte etwas Opernhaftes haben - mit starken Farben, wie in einem Gemälde oder einem Ballett." Vorbilder für den Look seien Martial-Arts-Epen wie Hero oder Filme von Hayao Miyazaki: "Als ich zum ersten Mal einen Film von Miyazaki sah, war das wie ein Schlag zwischen die Augen. Ab der ersten Einstellung weiß man, dass man ein Meisterwerk vor sich hat."

Sprunghaftes Geschehen

Bei solcher Schwärmerei fürs Bild muss die Story-Logik öfter Pause machen. Szenenwechsel geschehen grundsätzlich sprunghaft, ganze Teile des Films stehen seltsam unverbunden nebeneinander. Plötzlich taucht eine Liebesgeschichte auf, plötzlich ist sie wieder vorbei und die Prinzessin tot, oder genauer: Fisch geworden. Viel Zeit zum Trauern bleibt nicht, der Film stürzt sich in die nächste Schlacht oder die nächste mystische Elementenlehre.

Er habe, sagt der Regisseur, ein besonderes Verhältnis zur Natur. "Nicht mit so einer Den-Baum-umarmen-Philosophie. Aber es gibt ein Gleichgewicht zwischen Menschen und Natur, und diese Balance ist gestört. Der Hinduismus lehrt, dass wir von den Elementen lernen können. Als ich ein Teenager war, ist unser Haus niedergebrannt. Das wurde von allen als eine gute Sache angesehen - es war die Chance für Neuanfang."

Im Film steht Feuer mehr für die Mächte des Endes. Falls Die Legende von Aang beim Publikum ankommt - die US-Kritik hat den Film in der Luft zerrissen -, sollen ihr zwei Teile folgen. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto dunkler soll sie werden, verspricht Shyamalan: "beinahe Horrorfilme." Das wäre endlich mal eine gute Nachricht. (Dietmar Kammerer, DER STANDARD - Printausgabe, 18. August 2010)