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Ubuntu Design-Chefin, Ivanka Majic.

Foto: Archiv

Zu den Aufgaben des Design-Teams bei Canonical gehört unter anderem der Look des Desktops, für Ubuntu 10.10 wird hier das vor kurzem eingeführte, neue Theme noch mal überarbeitet.

Screenshot: Canonical

Auch das Entwickeln eigener Schriftsätze für das Branding der Distribution wird im Design-Team vorgenommen.

Screenshot: Canonical

In den letzten Jahren haben Design-Fragen und die Gestaltung einer besseren "User Experience" auch beim Linux-Desktop eine immer wichtigere Rolle eingenommen. Wo früher EntwicklerInnen oft recht auf die eigenen Bedürfnisse fokusiert vor sich hin programmiert haben, werden heutzutage immer öfter schon im frühen Design-Prozess grundlegende Usability-Fragen erörtert.

Eines der Unternehmen, das in den letzten Jahren stark in diesen Bereich investiert hat, ist Ubuntu-Hersteller Canonical, 15 Angestellte umfasst das Design-Team beim Linux-Distributor mittlerweile. Die Aufgaben sind dabei mannigfaltig, vom Branding des Produkts über den Feinschliff am Interface in Form von Themes und Icons bis zu grundlegenden Interaktionsfragen geht die Spannbreite hier. Die Leitung dieser Abteilung bei Canonical hat Ivanka Majic über, am Rande der Ende Juli in Den Haag abgehaltenen GNOME-Konferenz GUADEC hatte Andreas Proschofsky die Möglichkeit mit ihr das folgende Interview zu führen.

derStandard.at: Ist der Design-Prozess in der Open-Source-Welt ein anderer als in klassischen Unternehmen?

Ivanka Majic: Der Prozess ist definitiv anders, vor allem aber, weil man hier meist nicht von Angesicht zu Angesicht diskutiert, das ist ein Problem. Üblicherweise verwendet man bei solch Gesprächen die Hände, macht Geräusche, das sind alles wichtige Komponenten. Eine Design-Idee in pure Worte zu fassen, ist hingegen sehr schwer, sehr begrenzend. Das wird mit der Zeit zwar besser, aber das dauert eben und braucht viel Vertrauen.

Die Rahmenbedingung sind aber auch einfach ganz andere: Üblicherweise gibt es bei Design-Aufträgen ein ganz klar definiertes Set an unterschiedlichen Vorgaben, die man gegeneinander abwägen muss, aber dann passt das auch. Wenn man hingegen mit dem Maintainer eines Open-Source-Projekts redet, macht man immer nur Design-Vorschläge, sie fragen ja meist nicht von sich aus danach. Wenn wir also etwas Usability-Testing machen, und dabei konkrete Fehler entdecken versuchen wir einfach vorsichtig nachzufragen, ob das auf der Roadmap steht, ob wir helfen können.

Das ist jetzt aber auch weder besser noch schlechter, beide Ansätze haben ihre Vorteile. Und es ist ja auch schon in der klassischen kommerziellen Welt sehr schwierig User-zentriertes Design zu verkaufen, weil sich dessen Erfolg nicht klar messen lässt.

derStandard.at: In den letzten Jahren hat Design eine immer wichtigere Position im GNOME-Umfeld eingenommen, wird es damit auch leichter die eigenen Vorschläge durchzubringen?

Ivanka Majic: Dafür bin ich einfach noch nicht lange genug in der GNOME-Community aktiv, aber so wie ich das sehe gibt es ja schon einige Zeit lang sehr etablierte Designer wie etwa Mairin Duffy oder William Joe McCann von Red Hat. Aber klar, wenn man bei einem Projekt mitarbeiten möchte, muss man beweisen, dass man sich langfristig einbringen will, und nicht gleich wieder verschwindet. Und je länger mein Team und ich das tun, desto mehr Ansehen genießen wir auch, das macht es etwas einfacher. Ich muss aber ohnehin auch sagen, dass ich eigentlich nie großen Widerstand gegen Design verspürt habe.

derStandard.at: Was müsste sich ändern, damit gezieltes Design in der Open-Source-Welt einfacher wird?

Ivanka Majic: Ich möchte mal vorausschicken, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn sich Entwickler nicht für visuelles Design interessieren, alles was es braucht, ist das Verständnis dafür, dass ein gutes Design die eigene Anwendung angenehmer macht - und sie so im Endeffekt mehr Leute benutzen werden. Wenn sich irgendwas ändern muss, dann ist es die Sprache, wir reden oft von Design vs. Entwicklung, aber in Wirklichkeit ist es ohnehin so, dass man zuerst einmal designen muss, um überhaupt entwickeln zu können.

derStandard.at: Es geht also auch schlicht darum, dass EntwicklerInnen die richtigen Leute ansprechen, damit sie das Verständnis dafür haben, dass Design von Grund auf mitgedacht werden muss?

Ivanka Majic: Ja - und vor allem darum die "richtigen" Konversationen zu führen. Ein Beispiel dafür was ich damit meine: Mit dem 100-Paper-Cuts-Projekt geht es darum Kleinigkeiten am Desktop zu verbessern, aber was wir damit auch erhalten, ist eine gemeinsame Sprache, ein Label für einen gewissen Typ von Bugs, das macht es leichter über diese zu sprechen.

Ein Projekt, das wir derzeit planen, um die Kommunikation zu verbessern, nennt sich "UX Advocates", bei dem wir die einzelnen Projekte dazu motivieren, dass sie eine Person in ihrem Team haben, die sich um User-Experience-Fragen kümmert. Das muss kein ausgebildeter Designer sein, einfach jemand, der in der Planung solche Sachen von Anfang an mitdenkt.

Es gibt da ein Zitat von der britischen Verhaltensforscherin Jane Goodall, das ganz gut passt: "Wenn jeder nur ein bisschen über die kleinen Entscheidungen, die man täglich so trifft nachdenken würde: Was esse ich, resultiert das in Grausamkeit gegenüber Tieren? Was ziehe ich an, hat das Umweltschäden zur Folge? Wenn man damit beginnt so zu denken dann fängt auch schon die Veränderung an. Dann verändert man bereits selbst etwas. Und wenn mehr und mehr Leute so denken, bekommt man eine kritische Masse." Und so ist das hier auch: Wenn sich genügend Leute Gedanken zur User Experience machen, bekommt man eine kritische Masse und damit auch Veränderungen.

derStandard.at: Im Open-Source-Umfeld gibt es sehr schnelle Release-Zyklen, so wird ja auch alle sechs Monate eine neue Version von Ubuntu veröffentlicht, ist das ein Problem für Design?

Ivanka Majic: Ja, das ist ein Problem, vor allem aus dem Blickpunkt der Umsetzung. Man hat da ein Design, geht zu den Entwicklern und sie haben dann oft eine sehr kurze Zeit das umzusetzen. In einem sechsmonatigen Zyklus kann ja nicht die ganze Zeit über frei entwickelt werden, es gibt Anlaufphasen, es gibt Freeze-Perioden, also passiert es leicht, dass die Entwickler am Code schreiben sind und dann gesagt wird: "Du musst jetzt aufhören". Und auch wenn es durchaus möglich ist, Design in mehreren Stufen zu machen, so ist es doch nicht ganz so einfach die Linie an exakt dem richtigen Punkt zu ziehen. Hier müssen wir selbst auch noch dazulernen, lernen besser abzuschätzen, was in einem Release-Zyklus alles realistisch umgesetzt werden kann, wie wir größere Projekte besser einteilen. Sonst kann aus einem guten Design schon mal schnell ein durchschnittliches werden.

derStandard.at: Im GNOME-Umfeld gibt es eine Reihe von Human-Interface-Guidelines. Ist so etwas hilfreich oder engt das eher ein?

Ivanka Majic: Guidelines sind hilfreich, das Format, das sie annehmen, ist aber ein Problem. Niemand möchte komplexe Regelwerke lesen. Wir könnten statt dessen bessere Entwicklungstools anbieten, die den Leuten dabei helfen, gute Interface-Entscheidungen zu treffen. Und GNOME arbeitet ja derzeit einer Muster-Bibliothek, die konkrete Lösungen vorzeichnet, so etwas hat meiner Meinung nach eine viel größere Chance auf Erfolg als Richtlinien.

derStandard.at: Was sind einige der immer wieder auftauchenden Fehler beim Interface-Design?

Ivanka Majic: Mangelndes Feedback für die Nutzer. Viele Anwendungen lassen die Nutzer nicht wissen, was gerade passiert, das ist sicher ein wichtiger Punkt. Ein weiterer Problembereich ist die Nutzung von Fehlermeldungen, beziehungsweise die dort getroffene Wortwahl. Ein Beispiel: Einer der ersten Fehler, über den ich bei Ubuntu gestolpert bin, war, als ich versucht habe, eine externe Festplatte einzuhängen. Das System hat mir dann einfach gesagt "Cannot mount drive" und einen "Ok"-Knopf zur Auswahl geboten. Und so etwas ist natürlich nicht "Ok".

Es gibt aber auch ganz einfache Tricks, um die User Experience zu verbessern, zum Beispiel: Wenn ein Datum in einem gewissen Format eingegeben werden muss, sorge dafür, dass es auch tatsächlich nur in diesem eingegeben werden kann.

Ein allgemeines Problem im Open-Source-Bereich ist: Die letzten 10 Prozent der Entwicklung eines Programms können oft 90 Prozent der Zeit einnehmen, aber genau diese 10 Prozent sind extrem wichtig. Es ist zu oft so, dass die Qualität an einen Punkt kommt, wo die Entwickler selbst ein Programm gut verwenden können und es in Folge so schnell wie möglich veröffentlichen wollen. Leider werden dann diese erwähnten 10 Prozent zu oft "vergessen". Wenn wir aber wollen, dass Leute Open-Source-Software nicht nur deswegen benutzen, weil sie die freien Softwareprinzipien vertreten, sondern auch weil die Programme wirklich angenehm zu benutzen sind, dann müssen wir diese letzten 10 Prozent lösen. "Fit and Finish" ist wichtig.

derStandard.at: Was sind so die nächsten Projekte, die für das Design-Team bei Canonical anstehen?

Ivanka Majic: Das Software Center wird wieder einigen Augenmerk bekommen, die diversen Indicator-Arbeiten müssen abgeschlossen werden, der Update Manager braucht zusätzlichen Fokus. Für Maverick haben wir einige Änderungen am Installer vorgenommen, als nächstes würde ich gern Wubi (das Tool ermöglicht die Installation von Ubuntu innerhalb von Windows, Anm.) überarbeiten.

derStandard.at: Wie funktioniert die Arbeit an so einer zentralen Komponente wie dem Installer? Immerhin kann ja gerade die Partitionierung fatale Konsequenzen haben, wenn man hier etwas falsch macht.

Ivanka Majic: Das ist tatsächlich schwierig. In diesem Fall haben der Entwickler und der Designer sehr eng zusammengearbeitet, das macht einen großen Unterschied aus. Zudem gibt es bei uns im Team Leute mit unterschiedlichstem Background, und der zuständige Designer ist ursprünglich ein Entwicker gewesem, das hilft.

derStandard.at: Ubuntu neigt dazu die eigene Distribution mit sehr viel Branding zu versehen, von Splash Screens bis zu Schmuckfarben bei den Icons, widerspricht das nicht gutem Design?

Ivanka Majic: Klar, das ist ein schwieriger Punkt. Es gibt sicher gute Gründe für eine eigene visuelle Identität, problematisch wird es aber eben dann, wenn dadurch die Usability beeinträchtigt wird. Das müssen wir gut abwägen. Und das Icon-Theme ist definitiv ein Bereich, dem in nächster Zeit noch mehr Aufmerksamkeit zukommen muss.

derStandard.at: Haben Sie sich die GNOME Shell mal angesehen? Was halten Sie davon?

Ivanka Majic: Ich denke da sind einige sehr clevere Ideen enthalten. Allerdings würde ich gern noch Usability-Tests dazu machen, das ist etwas worüber wir intern schon gesprochen haben, auch in Verbindung mit Unity (dem Ubuntu-Netbook-Interface, Anm.)

derStandard.at: Wir danken für das Gespräch.

(Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.08.10)