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Der Weizenpreis macht Sorgen, ist er doch im Juli so schnell gestiegen wie seit 1972 nicht mehr.

Foto: DPA/Rumpenhorst

Wien - Der Weizenpreis ist im Juli so schnell gestiegen wie seit 1972 nicht mehr. Um mehr als 50 Prozent in nur einem Monat. Die Preishausse bei Weizen ist aber kein isoliertes Phänomen. Auch Zucker, Kakao oder Palmöl sind deutlich teurer als noch vor wenigen Jahren. Und dabei spielen tatsächliche Ausfälle bei der Ernte nur eine untergeordnete Rolle.

In den vergangenen Jahren erlebten viele Rohstoffmärkte Phasen explosionsartigen Wachstums - und einer folgenden Implosion. Oft induzierten Missernten und Wetterkapriolen erste Preisbewegungen, Finanzinvestoren und Konsumenten trieben den Preis dann weiter. Zucker ist ein illustratives Beispiel: 2009 verdoppelte sich der Zuckerpreis nach Ernteausfällen auf den höchsten Stand seit 29 Jahren - auf über 750 Dollar je Tonne (568 Euro). Die hohen Preise führten zum Aufbau größerer Kapazitäten, und als die Nachfrage nach dem deutlich teureren Zucker fiel, sank der Preis in wenigen Monaten bis zu 40 Prozent. Trotz jüngster Preissteigerungen nach stärkerer Nachfrage aus den USA bleibt Zucker mit 540 Dollar je Tonne unter dem Höchststand.

Im Fall von Weizen ist der Preisanstieg derzeit mit Angst begründet. Analysten und heimische Vermarkter betonen, dass noch genug Weizen vorhanden sei, aber Befürchtungen um zukünftige Engpässe aufgrund der Brände in Russland treiben den Markt. Die EU-Kommission erwartet 2010 trotz des heißen Wetters eine durchschnittliche Getreideernte. Die Ertragsschätzungen für Getreide - Weizen, Gerste, Mais und andere - liegen mit 5,1 Tonnen je Hektar um 0,7 Prozent über dem Vorjahr. Analysten der US-Bank Morgan Stanley betonen zudem, dass die hohen Lagerbestände nicht die Preissprünge rechtfertigen.

Eine größere Rolle spielen hingegen Finanzinvestoren. Sie sind in den vergangenen Monaten auf den Weizen-Geschmack gekommen. Erstmals seit Juni 2009 spekuliert die Mehrheit der Finanzinvestoren auf Preisanstiege bei Weizen. Experten von der Deutschen Bank betonen, dass diese Nachfrage untypisch ist, da Spekulanten seit 2000 kaum Positionen in Weizen kauften. Auch bei Kakao treiben Spekulationen die Märkte. Alleine ein Händler, Anthony Ward, hat mehr als sieben Prozent der jährlichen Kakaoproduktion gekauft, der Preis verdoppelte sich seit 2008.

Rückkehr zur Normalität

Analysten betonen zwei weitere Entwicklungen. So sind einige Agrar-Preise, wie jener von Mais, enger an den Kurs von Erdöl gekoppelt. Grund dafür ist die Verwendung von Agrarprodukten in der Biosprit-Produktion. Zweitens treibt die Schwäche des US-Dollars Rohstoffe an, die in dieser Währung gehandelt werden.

Langfristig erwarten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie die Nahrungsmittel-Organisation der Vereinten Nationen (FAO) eine Rückkehr zur "Normalität" . Überkapazitäten, nach rekordhohen Preisen zwischen 2007 und 2009, wären beseitigt, und auch die Nachfrage würde wieder anziehen. Agrarpreise könnten aber hoch bleiben.

Denn die höhere Nachfrage aus den Schwellenländern könnte die Preise für Weizen bis 2019 deutlich steigen lassen, um bis zu 40 Prozent inflationsbereinigt, so die OECD. Dies würde die Ärmsten treffen. Als Folge der Agrarpreisanstiege hatte sich die Zahl der hungernden Menschen wieder auf über eine Milliarde Menschen erhöht, warnen OECD und FAO.(Lukas Sustala, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 5.8.2010)