Paris. Indien. Wien. Etwas gab es trotz aller Ortswechsel in der Kindheit der ersten Uni-Rektorin in Österreich, das immer gleich blieb.

Ich denke zurück an mein letztes Schuljahr - sicher eines meiner schönsten. Damals, September 1968. Wir waren soeben nach Wien übersiedelt. Mein Vater, kanadischer Uno-Diplomat, wechselte von der Unicef in Paris zur neugegründeten Unido nach Wien.

Wien, Vienne, Autriche. Ich war glücklich. Ich kannte Österreich als Urlaubsland - vom Skifahren in Lech.

Paris 1968, das war auch Mai '68 mit großen Unstetigkeiten im Schulbetrieb, dem Ausfall des öffentlichen Verkehrs, die Fahrt zum Lycée La Fontaine mit einem Militär-Lkw, der weitgehend eingeschränkte Unterricht, der Zugang zur Schule durch die Hintertür (die vordere war bestreikt), meine erste Teilnahme an einer Demo, die Angst vor der Polizei, die Unruhen, die Molotowcocktails und vieles mehr.

Wien war im Gegensatz dazu sehr ruhig, fast zu still und erschien mir sehr langsam im Vergleich zu Paris. Ich war glücklich hier zu sein.

Die Schule: das Lycée Français de Vienne. Ich war in der "terminale" , im letzten Schuljahr. Damals wie heute mussten wir Schüler/-innen uns für einen Zweig entscheiden. Ich hatte mich für C ("mathélème" ), das war der naturwissenschaftliche Zweig mit Schwerpunkt Mathematik und Physik, entschieden.

Meine gesamte Schulzeit habe ich im französischen Schulsystem verbracht - großteils in Paris, zwei Jahre lang in Indien mit Fernunterricht und ein letztes Jahr in Wien. Ich bin in einem System der verknüpften Gesamt- sowie Ganztagsschule aufgewachsen und habe dieses Konzept daher immer als selbstverständlich empfunden. Wenn wir allen Kindern die bestmögliche Bildung und gleiche Chancen unabhängig von ihren familiären Hintergründen bieten wollen, führt meiner Meinung nach kein Weg um die Gesamt- und Ganztagsschule herum.

Prägend für mein letztes Schuljahr waren die Vorbereitungen auf den Schulabschluss, das Baccalauréat, das für alle französischen Schulen zentral organisiert ist und unter der Obhut der Universitäten stattfindet. Die Prüfungsangaben werden für jeden Bac-Termin zentral erstellt. Sie unterscheiden sich je nach Zweig im Schwierigkeitsgrad und in der Gewichtung der Note. Sie werden in versiegelten Kuverts per Post an die Schulen geschickt und dort sogleich von den Prüfungsaufse-her/-innen geöffnet.

So kann gewährleistet werden, dass alle Schüler/-innen gleich behandelt werden und auch die Lehrer/-innen werden dazu ermutigt, ihre Klasse zu einem möglichst guten Abschluss zu bringen. Ich wünsche mir die flächendeckende Einführung der Zentralmatura. Diese stellt in meinen Augen die einzige Möglichkeit dar, Objektivität und Chancengleichheit zu gewährleisten, und würde damit der Matura als Abschlussprüfung eine viel stärkere Aussagekraft auch als Zugangsberechtigung zur tertiären Bildung geben. (Ingela Bruner/DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2010)