Elke Krystufek 1979 beim "Notenzerstören mit Jürgen".

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Meine Volksschule in F. war ein lieber fröhlicher Ort mit einer netten und strengen Lehrerin. Mir ist dort nichts abgegangen. Mein Berufsbild als Bildende Künstlerin, Schriftstellerin und Schauspielerin hat dort seinen Anfang genommen und wurde auch gefördert.

Mein Gymnasium, das BG K. hat mir in hohem Ausmaß den Zugang zur Kunst vermittelt. Es gab einige sehr engagierte LehrerInnenpersönlichkeiten, die auch von der Direktion in ihrem Engagement nicht behindert wurden. Obwohl ich mich lange Zeit im Anschluss an meine Schulzeit mit Bildender Kunst beschäftigt habe, setzt sich mittlerweile meine Deutschprofessorin Ludwiga S. als Einfluss durch. Sie hat unserer Klasse sowohl Literatur- wie auch Modebewusstsein vermittelt. Auch den Lateinunterricht bei Christine D. möchte ich nicht missen, sowohl die Erzählungen von den alten RömerInnen und ihren Gebräuchen, wie den Umstand eine nicht ganz einfache und nicht unbedingt für das Wirtschaftsleben notwendige Sprache erlernen zu dürfen, was mich kürzlich zur Beschäftigung mit der Arabischen Sprache gebracht hat. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unseren wunderbar toleranten Religionslehrer Fritz T. erwähnen, der unserer Klasse Toleranz auf allen Ebenen vermittelt hat, weswegen ich mich heute auch ganz unbefangen mit dem Islam beschäftigen kann. Ich erwähne deswegen einzelne Namen, weil Schulen aus Einzelpersönlichkeiten bestehen und es so angenehm war, dass diese Persönlichkeiten in ihrem Unterricht nicht behindert wurden.

Was mir ein wenig abgegangen ist, war eine höhere Anzahl von Mädchen in unserer Klasse, da es in K. ursprünglich einmal ein Mädchen-und ein Bubengymnasium gab und nachdem ich in das Bubengymnasium ging, die Anzahl von Mädchen an dieser Schule etwas geringer war. Eine ausgewogenere Geschlechterverteilung hätte ich als angenehm empfunden. Wenn ich meinen Freund Dieter H. treffe, wäre ich natürlich gerne in eine Waldorfschule gegangen, denn ich wäre gerne so altruistisch wie Dieter, der auch die kleinsten Kuchen für alle Anwesenden in gleich große Teile teilt und das ist bei weitem nicht alles, aber die Laudatio auf Dieter muss anderswo publiziert werden. Andererseits ist seine Lebensgefährtin Maria T. mindestens ebenso sozial und mir ist nicht bekannt, in welche Schule sie gegangen ist. Nachdem wir uns aber kürzlich über die Waldorfschule unterhalten haben, ist sie vermutlich in keine Waldorfschule gegangen, sonst hätte sie das erzählt. Das lässt die Vermutung zu, dass verschiedene Schulformen ein hohes soziales Bewusstsein vermittelt haben. Mein Bruder, der ebenso wie ich an das BG K. gegangen ist, ist auch ein sehr freundlicher Mensch geworden. Warum das BG K. auf mich andere Auswirkungen hatte, als auf meinen Bruder, ist bis heute nicht geklärt. Wir haben zudem die gleiche Volksschule besucht.

Meine Beschäftigung mit dem Islam hat eigentlich über die Umwege der Geographie begonnen. Dies kann natürlich meinem Geographielehrer Gernot I. angelastet werden, da ich ja auch in Geographie maturiert habe. Ob der Nahe Osten tatsächlich Maturathema war, kann ich mich trotzdem nicht mehr entsinnen. Tatsächlich wurden mir vor der Matura sowohl in Geographie wie auch in Bildnerischer Erziehung die Fragen von den zuständigen LehrerInnen in der Pause beantwortet. Sie hatten wahnsinnige Angst, dass ich durchfallen würde. Und sie mit mir. Fast durchgefallen bin ich dann allerdings in Deutsch wegen Themaverfehlung, trotz der hohen literarischen Qualität meiner Aufsätze. Die Themaverfehlung habe ich nahtlos in den Ausstellungsbetrieb übernommen, einige meiner Ausstellungen und kürzlich ein Katalog wurden deswegen zensuriert. Gelitten haben dabei immer alle. Deswegen sollte in der anderen neuen Schule auf Thementreffen geachtet werden. In der Bildnerischen Erziehung habe ich von allen die einfachste Maturaaufgabe bekommen- den Farbenkreis, weil mein Lehrer Helmut I. so viel Angst hatte. Wenn ich mehr gefordert worden wäre, wäre ich jetzt vielleicht Damien Hirst oder Tracey Emin, so bin ich aber auch dem hohen Alkoholkonsum und den daraus resultierenden Karrierevorteilen fern geblieben - und das obwohl Helmut I. die Maturavorbereitung für uns BEmaturantInnen des öfters beim Heurigen abgehalten hat. Vielleicht haben mich diese Vorbereitungen von höherem Alkoholkonsum abgehalten, obwohl ich Helmut I. nett fand und auch die Heurigenbesuche. Jedenfalls haben die Heurigenbesuche trotz allem bei mir in einer gewissen Abstinenzneigung und mittlerweile Beschäftigung mit dem Islam resultiert. Daraus ergibt sich die Frage, ob ich ein erfolgreiches oder fehlgeschlagenes Produkt meiner Erziehung bin und zu was ich hätte eigentlich erzogen werden sollen. Wir Künstlerinnen glauben natürlich immer, dass Louise Bourgeois in die richtige Schule gegangen ist, die Frage ist aber: ist sie glücklicher als wir? War sie immer, zu jeder Zeit ihres Lebens glücklicher als wir? Während der Erstellung dieser Stellungnahme zum Thema Schule ist sie zu allem Überfluss noch gestorben. Die falsche Schule? Das Berufsbild aus meiner Schule hat sich in der Form weitergegeben, dass ich erwartungsgemäß nicht den Erwartungen entspreche, was perfekt in den Kunstkontext passt und gleichzeitig auch nicht, trotzdem bin ich so dankbar dafür, nicht zur Erfüllung erzogen worden zu sein.

Meine Schule war also eine andere Schule, da es noch keine Handys und Computer gab, so wie früher einmal keine Autos. Es war eine Schule ohne Networks und Facebooks. Wahrscheinlich würde ich mir so eine Schule wünschen, als Museum einer Schule. Mit leichtem Walddorfeinschlag. Arabisch fände ich schön als Wahlfach. Statt den Kreuzen ein ganzes Spektrum von religiösen Symbolen an der Wand und ein gelungenes Atheismuszeichen dazu. Eine Agnostikerpaulthekskulptur in jedes Klassenzimmer, diese eingegossenen Fleischstücke, die kein Fleisch sind. Yoga wäre Pflichtfach. Außerdem Kondomunterricht, fächerübergreifend. Dann das Fach: mein Körper gehört mir. Die Schulmöbel ein Spektrum von DesignklassikerInnen, aber quotengerecht verteilt. Kopftuchpflicht für Knaben. Wobei sie entscheiden können, wo sie das Kopftuch tragen. Einfach das Bewusstsein dafür erweitern, dass es Kopftücher gibt. Außerdem einen feministischen Muezzin: 5 mal am Tag rufen Feministische ihre Wünsche über das Schulgebäude, bis Gleichberechtigung erreicht ist.

P.S: Zum Schutze der Schulen und LehrerInnen wurde auf Abkürzungen zurückgegriffen. Nur KünstlerInnen wurden mit vollem Namen genannt, weil sie noch nicht in diesem Ausmaß geschützt werden müssen. Vielleicht gibt es irgendwann nur mehr Abkürzungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2010/Online-Langfassung)