'Le pigeon aux petits pois' von Pablo Picasso

Foto: Musee National D'Art Moderne

'La pastorale' von Henri Matisse

Foto: Musee National D'Art Moderne

'L'Olivier près de l'Estaque' von Georges Braques

Foto: Musee National D'Art Moderne

'La femme à l'éventai' von Amédéo Modigiliani

Foto: Musee National D'Art Moderne

'Nature morte au chandelier' von Fernand Léger

Foto: Musee National D'Art Moderne

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Nur die Bilderrahmen blieben übrig: Pariser Polizist bei der Spurensicherung

Foto: AP /Jacques Brinon

Paris – Die fünf aus einem Pariser Museum gestohlenen Meisterwerke waren nicht versichert. "So wie auch im Centre Pompidou oder im Louvre werden die Werke nur dann versichert, wenn sie das Museum verlassen", sagte Christophe Girard, der Kulturbeauftragte der Stadt Paris, der Zeitung "Journal du Dimanche". Er bezifferte ihren Gesamtwert auf knapp 100 Millionen Euro.

Rätselhafte Motive

Experten rätseln unterdessen derzeit über die Motive des Täters, der aus dem Pariser Musée National d'Art Moderne fünf wertvolle Kunstwerke von Picasso, Matisse, Braque, Modigliani und Léger gestohlen hat. Nach Angaben von Szenekennern sind die Dutzende Millionen Euro wertvollen Meisterwerke absolut unverkäuflich. Der Täter könne die fünf Bilder wegen ihrer Bekanntheit niemandem zeigen, sagte ein Auktionator am Freitagmorgen dem Radiosender RTL. So gut wie ausgeschlossen sei auch, dass ein romantischer Kunstfan hinter der Tat stecke. Ein Mitarbeiter des Kunstauktionshauses Christie's äußerte sich ähnlich: Dass Sammler Ganoven beauftragten, sei eine Legende, sagte Thomas Seydoux der Zeitung "Le Figaro".

Das wertvollste gestohlene Werk ist wahrscheinlich das kubistische Bild "Le pigeon aux petits pois" des spanischen Malers Pablo Picasso (1881-1973), das auf mehr als 20 Millionen Euro geschätzt wird. Zudem entwendete der Täter je ein Bild von Henri Matisse ("La pastorale"), Georges Braque ("L'olivier près de l'Estaque"), Amedeo Modigliani ("La femme à l'éventail") und Fernand Leger ("Nature morte aux chandeliers"). Fotos der gestohlenen Meisterwerke wurden unverzüglich in die weltweite Datenbank der internationalen Polizeibehörde Interpol eingespeist, in der schon 26.000 verschwundene Kunstwerke aufgelistet sind. Bürgermeister Delanoe teilte mit, das Haus werde vorübergehend geschlossen.

"Artnapping"?

Anita Gach, Leiterin der Abteilung Kulturgutfahndung im österreichischen Bundeskriminalamt, wies darauf hin, dass es sich um einen Fall von Artnapping handeln könnte. Die Täter würden in diesem Fall einen Erpressungsversuch unternehmen, wobei es, so Gach, nicht zwangsläufig um Geld gehen müsste. Aus der Fachliteratur sei ein Fall aus dem Irland der 80er Jahre bekannt, in dem versucht wurde, durch einen Kunstdiebstahl die Freilassung Inhaftierter zu erpressen, sagte die Expertin. Der Theorie, dass Diebstähle weltbekannter Kunstwerke im Auftrag "geheimnisvoller Sammler" verübt werden, steht hingegen auch Gach skeptisch gegenüber. "Es ist zwar möglich, dass es so etwas gibt. Allerdings ist in den vergangenen 15 bis 20 Jahren kein derartiger Fall bekanntgeworden."

"Die Bandbreite möglicher Motive für einen solchen Diebstahl ist groß", betonte Gach. So steckten hinter dem spektakulären Coup im Berliner Brücke-Museum im April 2002 "normale" Einbrecher. Beim Prozess nannten die Täter finanzielle Probleme als Motiv und erklärten, das Museum für eine Villa gehalten zu haben.

Sicherheitsmängel

Ermöglicht hatten den Diebstahl in der Nacht zum Donnerstag vermutlich Mängel am Sicherheitssystem: Ein Teil der Alarmanlage sei in einigen Räumen seit knapp vier Wochen defekt gewesen, teilte die Stadt Paris mit. Die zuständige Firma warte auf ein Ersatzteil eines Zulieferers, hieß es weiter. Bürgermeister Bertrand Delanoe forderte eine Untersuchung, inwiefern technische Mängel oder menschliches Versagen dazu beigetragen haben, den Diebstahl zu ermöglichen.

Die Videoüberwachung habe fehlerfrei funktioniert. Es seien jede Nacht drei Wächter im Dienst, die die Bilder direkt übertragen bekommen. Auf den Bildern war ein maskierter Täter zu sehen gewesen, der in der Nacht zu Donnerstag den spektakulären Kunstdiebstahl begangen hat.

Neunstelliger Schätzwert

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat den Wert der gestohlenen Bilder zunächst auf 500 Millionen Euro beziffert, später korrigierte sie ihre Schätzung auf rund 90 Millionen Euro. Versicherungswert ist keiner bekannt: Laut einer Rückfrage der der "Frankfurter Rundschau" beim größten Kunstversicherer Axa-Art sind die Kunstwerke – wie bei öffentlichen Sammlungen häufig der Fall – nicht versichert. Die Axa-Art sei vom Museum angefragt worden, den Diebstahl mit aufzuklären.

Alice Farren-Bradley von der Registrierungsstelle für gestohlene Kunstwerke (Art Loss Registry) in London erklärte, angesichts des möglichen Werts der Bilder, der Berühmtheit der Künstler und der Bekanntheit des Museums sei es wohl "einer der größten" Diebstähle aller Zeiten. Der Wert der Bilder müsse noch geklärt werden – Museen und Kunsthändler bewerten ihn oft unterschiedlich.

Pierre Cornette de Saint-Cyr, der Direktor des Museums Palais de Tokyo, das auch moderne Kunst zeigt, nannte den oder die Diebe "Dummköpfe". "Mit diesen Bildern kann man nichts anfangen. Alle Länder auf der Welt wissen davon und kein Sammler ist so dumm, ein Bild zu kaufen, das er erstens keinem anderen Sammler zeigen kann und bei dem er zweitens Gefahr läuft, im Gefängnis zu landen." Normalerweise würden solche Bilder wiedergefunden. "Diese fünf Bilder sind unverkäuflich."

Sicherheitsdebatte absehbar

Der Einbruch, der als einer der größten Kunstdiebstähle der Geschichte gilt, wurde in den Morgenstunden kurz vor Öffnung des Hauses von einem Mitarbeiter entdeckt. Eine Scheibe wurde eingeschlagen und ein Vorhängeschloss aufgebrochen, ohne dass Alarm ausgelöst wurde oder das Wachpersonal etwas bemerkte. Eine Überwachungskamera filmte eine Person, die in das Museum in der Avenue du President Wilson eindrang.

Wie schon in Österreich nach dem Diebstahl der "Saliera" 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien dürften in Paris in den nächsten Tagen heftige Diskussionen um die Sicherheit in französischen Museen entbrennen. In den vergangenen Monaten wurden u.a. aus einem Museum in Marseille, aus dem Schloss Versailles und aus dem Pariser Picasso-Museum Kunstwerke entwendet.

Zweiter Kunstdiebstahl in zwei Tagen

Am Freitag kam es in Frankreich zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen zu einem schweren Kunstdiebstahl. Zwei Unbekannte stahlen eine Lithographie des spanischen Malers Pablo Picasso und vier weitere Werke bei einem privaten Sammler. Das berichtete die Website nouvelobs.com am Samstag unter Berufung auf Polizeikreise.

Der Wert der Werke war zunächst nicht bekannt. Die Täter seien am Freitag gegen 8.00 Uhr in das Haus des Sammlers eingedrungen. Sie schlugen den etwa 60-Jährigen zusammen. Von den Tätern fehlte jede Spur. Erst in der Nacht zum Donnerstag waren aus einem Pariser Museum fünf Meisterwerke im Wert von knapp 100 Millionen Euro, unter ihnen eines von Picasso, gestohlen worden.

Spektakuläre Kunstdiebstähle seit 1990

  • 20. Mai 2010 – Aus dem Museum für moderne Kunst der Stadt Paris werden fünf Meisterwerke von Picasso, Matisse, Braque, Leger und Modigliani im Wert von insgesamt 500 Millionen Euro gestohlen.
  • 7. Februar 2008 – Aus einer Ausstellung in Pfäffikon am Zürichsee werden zwei Picasso-Bilder gestohlen.Der spanische Maler ist das beliebteste Ziel von Kunstdieben. Gemäß dem internationalen Art-Loss-Register sind bis zu 600 Picassos als gestohlen gemeldet.
  • 28. Februar 2007 – Aus der Pariser Wohnung der Picasso-Enkelin Diana Widmaier-Picasso werden drei Gemälde ihres Großvaters im Wert von rund 50 Millionen Euro entwendet. Die Polizei verhaftet die Diebe, als sie versuchen, die Bilder zu verkaufen.
  • 25. Februar 2006 – Mitten im Karnevalstrubel stürmen mindesten vier mit Maschinengewehren und Handgranaten bewaffnete Männer das Chacara do Ceu Museum in Rio de Janeiro. Sie überwältigen die Wachleute und verschwinden mit vier Bildern von Picasso, Dali, Monet und Matisse im Wert von rund 40 Millionen Euro.
  • 22. August 2004 – Mit Waffengewalt entwenden zwei Kunsträuber die weltberühmten Bilder "Der Schrei", der bereits 1994 gestohlen wurde, und "Madonna" von Edvard Munch (1863-1944) – Schätzwert knapp 100 Millionen Euro – vor den Augen entsetzter Besucher aus dem Munch-Museum in Oslo. Erst zwei Jahre später können die Bilder sichergestellt werden.
  • 11. Mai 2003 – In den frühen Morgenstunden des 11. Mai 2003 wird im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) die "Saliera" von Benvenuto Cellini gestohlen. Es ist die einzige erhaltene gesicherte Goldschmiedearbeit des italienischen Bildhauers (1500 – 1571). Angaben zum Wert des Salzfasses lagen um die 50 Millionen Euro. Im Jänner 2006 finden es Polizisten in einem Wald in Niederösterreich, nachdem sich der Täter bei der Polizei gemeldet hat.
  • April 2003 – Aus dem Nationalmuseum in Bagdad werden während Plünderungen in Folge des Irak-Krieges zahllose bedeutende Kunstwerke gestohlen. Experten sprechen von einer "Katastrophe für das Kulturerbe".
  • 1995 bis 2001 – Der international tätige Kunstdieb Stephane Breitwieser entwendet im Zuge seiner Diebestouren durch mehrere europäische Staaten 239 Werke von zum Teil unschätzbarem Wert – darunter aus dem Tiroler Landesmuseum das ovale Ölbild "Flötenspielender Knabe" von Gerard Dou. Es ist vermutlich unwiederbringlich verloren, denn nach seiner Festnahme in der Schweiz im November entledigte sich Breitwiesers Mutter der Sammlung. Sie warf einen Teil der Beute in den Rhein-Rhone-Kanal bei Straßburg; die alten Gemälde zerschnitt sie nach eigener Aussage und warf sie in den Müll.
  • 22. Dezember 2000 – Zwei bewaffnete Männer rauben aus dem Nationalmuseum in Stockholm Gemälde von Rembrandt und Renoir mit einem Schätzwert von insgesamt rund 32,2 Millionen Euro.
  • 20. März 2000 – In Berlin lässt ein Fahrer seinen Kleinlaster mit Gemälden im Wert von rund einer halben Million Euro unbeaufsichtigt. Als er zurückkehrt, ist der Wagen samt Kunstwerken verschwunden. Unter den gestohlenen Grafiken und Gemälden sind Werke von Miro, Kollwitz und Barlach. Dank einer aufmerksamen Kriminalbeamtin werden sechs Wochen später 47 Gemälde sicher gestellt.
  • Dezember 1994 – Antike chinesische und jüdische Schriften im Wert von mindestens 300 Millionen Dollar (262 Mill. Euro) werden aus der Eremitage in St. Petersburg entwendet.
  • 28. Juli 1994 – Drei Meisterwerke von William Turner und Caspar David Friedrich werden aus der Kunsthalle Schirn in Frankfurt/Main geraubt. Die Täter überwältigen einen Wachmann. Turners Bilder "Licht und Farben" und "Schatten und Dunkelheit" aus der Tate Gallery sowie Friedrichs Ölgemälde "Nebelschwaden" – Leihgaben aus London und Hamburg – haben einen Versicherungswert von insgesamt rund 35 Millionen Euro. Die Bilder bleiben verschwunden.
  • 12. Februar 1994 – Munchs weltbekanntes Gemälde "Der Schrei" wird aus dem Nationalmuseum in Oslo gestohlen. Der Raub sorgt ob seiner Dreistigkeit – die Täter stellten eine Trittleiter an die Außenmauer des Museums und nahmen das Bild bei heulenden Sirenen ab – für besonderes Aufsehen. Das Gemälde taucht drei Monate danach unversehrt wieder auf, der Täter, Paal Enger, war bereits 1988 wegen Diebstahls eines anderen Munch-Bildes ("Vampir") verurteilt worden.
  • 8. November 1993 – Aus dem Modernen Museum in Stockholm werden sechs Picasso-Werke und zwei Gemälde Georges Bracques im Wert von insgesamt rund 58 Millionen Euro gestohlen – alle Bilder tauchen wieder auf.
  • Oktober 1992 – Aus dem Stadtschloss in Weimar werden acht Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren im Wert von mindestens 30 Millionen Euro gestohlen.
  • 14. April 1991 – Aus dem Van Gogh-Museum in Amsterdam werden 20 Bilder im Wert von rund 436 Millionen Euro entwendet, wenig später aber in einem verlassenen Auto wiedergefunden.
  • 18. März 1990 – Aus dem Isabella Stewart Gardner-Museum in Boston werden elf Gemälde von Rembrandt, Vermeer, Govaert Flink, Degas und Manet sowie ein kostbarer chinesischer Bronzebecher aus der Zeit um 1200 vor Christus gestohlen. Die Schätzungen über den Wert der Bilder reichen von 100 bis 200 Millionen Dollar. (APA/red)