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Die natürlichen Wirkstoffe von Baldrian stehen Pate für noch stärker wirksame synthetische Derivate

Wien - Ein Naturstoff aus Baldrian als Basis für neue angstlösende Wirkstoffe: Ein Forscherteam der Universität Wien synthetisiert neuartige potenzielle Wirkstoffe in Ableitung von Substanzen, die in der Pflanze enthalten sind. Das gemeinsame Ziel von Chemikern und Pharmakologen ist es, angstlösende Arzneistoffe zu entwickeln, die besser verträglich sind und weniger unerwünschte Wirkungen haben. In der aktuellen Ausgabe des British Journal of Pharmacology (BJP) werden Ergebnisse dazu publiziert.

In Österreich leiden mehr als 800.000 Menschen an Angsterkrankungen, Frauen sind davon doppelt so häufig betroffen wie Männer. Unter dem Begriff Angststörungen werden verschiedene Symptome wie Schlafstörungen, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Erregung zusammengefasst. Herkömmliche Medikamente wie Antidepressiva oder Tranquillizer haben viele Nebenwirkungen und können innerhalb von Wochen zur Abhängigkeit führen.

Hilfe aus der Natur

In der Volksmedizin wird Baldrian seit dem 18. Jahrhundert bei Symptomen wie Schlaflosigkeit, Stress, Reizbarkeit und Angstzuständen angewendet. Vor zwei Jahren zeigte das Team um Steffen Hering, Leiter des Departments für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien, erstmals, dass der Naturstoff Valerensäure aus dem Baldrian einen bestimmten Typ von sogenannten GABAA-Rezeptoren auf Nervenzellen stimuliert. Dadurch wird die Erregbarkeit von Nervenzellen gehemmt. In weiterführenden Untersuchungen wurde herausgefunden, dass Valerensäure eine angstlösende und schlaffördernde Wirkung hat.

Die in der Praxis häufig verordneten Benzodiazepine (ein bekannter Vertreter ist "Valium") führen schnell zur Abhängigkeit und verursachen unerwünschte Wirkungen, wie zum Beispiel Tagesmüdigkeit ("hang over"), Gangunsicherheit und Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit. Das Team um Hering geht davon aus, dass die aus Baldrian gewonnene Valerensäure nur auf bestimmte Subtypen von GABAA-Rezeptoren wirkt. Daraus schließt Post-Doc Sophia Khom vom Department für Pharmakologie und Toxikologie folgendes: "Der große Vorteil dessen wäre, dass dadurch nur ganz bestimmte Hirnareale stimuliert werden, so weniger Nebenwirkungen entstehen und das Abhängigkeitspotenzial vermindert werden könnte."

Synthetisierte Derivate wirksamer

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt von Johann Mulzer, Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Wien, und Steffen Hering, Leiter des Departments für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien, synthetisierte Jürgen Ramharter (Organische Chemie) nicht nur den Naturstoff Valerensäure, sondern stellte auch Derivate, d.h. von der Valerensäure abgeleitete Wirkstoffe, her. Die Pharmakologin Sophia Khom erklärt dazu: "Mehrere der synthetisierten Derivate sind im Vergleich zur Valerensäure deutlich stärker wirksam. Bei einer der neu synthetisieren Verbindungen war die Wirkung auf den Rezeptor mehr als doppelt so stark."

Der Pharmakologe und Department-Leiter Steffen Hering ist überzeugt: "Wir sind auf einem guten Weg, auf Basis der Valerensäure neue, angstlösende Wirkstoffe zu finden, die für die Entwicklung von Arzneistoffen geeignet sind. Einige der bisher untersuchten Substanzen haben bereits eine deutlich stärkere Wirkung als der Naturstoff aus dem Baldrian selbst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir unter den Derivaten auch Wirkstoffe finden, die bei Epilepsie eingesetzt werden können." (APA)