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Grafik: APA

Die Einigung auf einen Rettungsschirm für klamme EU-Staaten sorgt am Montag für kräftige Aufschläge auf den Finanzmärkten.

Kurssprung beim ATX

Die europäischen Aktienmärkte starteten am Montagfrüh sehr fest in den Handel, nachdem schon die Fernost-Börsen durchwegs im Plus geschlossen hatten. Der Dax in Frankfurt kletterte um über vier Prozent, der ATX in Wien schloss sogar mit einem Kurssprung von mehr als neun Prozent. Der Dow Jones legte in den ersten Handelsminuten mehr als vier Prozent zu. (Details siehe Marktberichte).

Insbesondere europäische Finanztitel hat die Einigung auf den Euro-Schutzschirm am Montag in die Höhe getrieben. Die Aktien der Banco Santander, die größte Bank der Euro-Zone, schossen in Madrid zeitweise um fast 20 Prozent nach oben. Nicht zuletzt dieses starke Plus des Index-Schwergewichts bescherte dem Leitindex der Madrider Börse (Ibex) mit 12,5 Prozent Aufschlag das größte Plus seiner Geschichte. Die Leitindizes von Portugal und Italien stiegen mit einem Plus von jeweils zehn Prozent so stark wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr. Auch hier waren die Finanzwerte die treibenden Kräfte.

Am deutschen Aktienmarkt führte die Deutsche Bank mit einem Zuwachs von rund elf Prozent die Gewinnerliste an. Commerzbank-Aktien verteuerten sich um 8,2 Prozent. Der europäische Bankenindex legte elf Prozent zu, nachdem er vorige Woche um rund 14 Prozent eingebrochen war.

Auch in London und in Paris feierten die Anleger die Euro-Rettung mit Kaufaufträgen. In Großbritannien schienen die Investoren jegliche Bedenken hinsichtlich der schwierigen Regierungsneubildung zu vergessen: Der FTSE 100 stieg um knapp fünf Prozent. Der französische CAC-40 sprang sogar um mehr als acht Prozent nach oben.

Euro legt zeitweise zu

Der Euro hat am Montag nur zeitweise von dem beispiellosen Rettungsschirm profitiert. Die Gemeinschaftswährung legte zu Mittag zunächst um rund drei Cent auf knapp 1,31 Dollar zu. Bis zum späten Nachmittag gab der Euro die Gewinne aber fast vollständig wieder ab und kostete 1,2830 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,2969 (Freitag: 1,2746) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7711 (0,7846) Euro.

Zur Abwehr einer Schuldenkrise in der gesamten Euro-Zone hatten sich die EU-Finanzminister in der Nacht zum Montag auf ein gigantisches Kreditprogramm im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro geeinigt. Bis zu 500 Milliarden Dollar der Kredite und Kreditgarantien übernehmen die Euro-Länder, den Rest steuert der Internationale Währungsfonds (IWF) bei (siehe dazu Artikel).

Auch der Ölpreis zog nach der Bekanntgabe des Euro-Schutzschirms spürbar an (siehe Artikel).

Analysten nicht vollends überzeugt

Analysten äußerten sich allerdings verhalten bis skeptisch zum EU-Schutzschirm. "Heute Morgen lässt sich noch nicht abschätzen, ob die beschlossenen Maßnahmen die Finanzmärkte beruhigen und damit letztlich auch den Euro stabilisieren können", schrieben die Analysten der Commerzbank in einem Kommentar. "Während die Ansteckungseffekte durch die Bond-Käufe der EZB weitestgehend vermieden werden dürften, könnte der Euro dennoch unter Druck bleiben."

"Die Nachrichtenlage ist gut, nachdem die Branche in den letzten Tagen ordentlich was auf die Mütze bekommen hat", sagte Ascan Iredi, Aktienhändler bei der Postbank. "Die beschlossenen Maßnahmen dürften Stabilität in den Markt bringen - ob das für zehn Jahre, fünf oder nur ein Jahr hält, kann man natürlich nicht sagen." Wichtig sei, dass ähnlich wie zum Ausbruch der Finanzkrise der Wille zum zielgerichteten politischen Handeln erkennbar sei.

Nach Einschätzung von Citigroup-Volkswirt Jürgen Michels sind die beschlossenen Maßnahmen im Gegensatz zu früheren Versuchen mutig und umfangreich. Allerdings gebe es möglicherweise Hürden vor dem Inkrafttreten des Rettungsschirms, für den die EU insgesamt 500 Mrd. Euro bereitstellen will. "Die neuen EU-Kommissions-Regeln erfordern die Zustimmung aller 27 Regierungschefs und könnten eine parlamentarische Zustimmung notwendig machen", sagte Michels.

"Dies ist der Beginn einer 'Umverteilung-von-Einkommen'-Gesellschaft, welche erfolgreiche Volkswirtschaften der Region schwächt und die Volkswirtschaften stützt, die nicht in einer Position sind, die Konsequenzen aus dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion zu tragen", sagte Heino Ruland von Ruland Research. Dies werde das Wachstum in der gesamten Region auf längere Sicht schwächen, "insbesondere weil die Interessen von nüchtern handelnden Wirtschaften wie Österreich, Belgien, Finnland, den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland bei der Auflegung des EU-Hilfspaketes ignoriert wurden. Auf sehr kurze Sicht wird es helfen, die Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen zu senken bei den Volkswirtschaften, die in den vergangenen Wochen und Monaten schlimm gelitten hatten. Die kurzfristigen Wirkungen wurden bereits sichtbar im asiatischen Handel."

Eine pure "Notlösung zur Behandlung von Symptomen" erkennt Masafumi Yamamoto, Devisenstratege von Barclays Capital. "Das ist nicht die Art von Maßnahmen, mit denen die Probleme an der Wurzel gepackt werden", sagte der der Nachrichtenagentur Reuters.

James Nixon, Analyst bei der Société Générale, meinte: "Die überraschendste Entwicklung ist die Ankündigung, dass die EZB in den privaten und öffentlichen Kreditmarkt eingreifen wird, aber jede Intervention sterilisieren will. Das stoppt kurz vor dem Quantitative Easing und sieht eher danach aus, als ziele es auf den Kauf von Anleihen aus Peripherie-Staaten, wenn die EZB entscheidet, dass die Rendite zu hoch ist."

RZB zufrieden

Die Analysten der Raiffeisen Zentralbank (RZB) sind nach dem Maßnahmen-Paket hingegen positiv gestimmt. "Wir halten die Maßnahme für geeignet, die zuletzt an den Märkten aufgekommene Panik herumzudrehen", heißt es in einer Aussendung Montagfrüh. Es sollte ausreichen, "um die Ansteckung innerhalb der Eurozone zu stoppen und die Refinanzierung der Staaten sicherzustellen". Im Idealfall, glaubt man bei der RZB, könnte der Druck auf die Staatsanleihen Portugals oder Spaniens rapide nachlassen, die Kurse sich erholen, und damit gar kein Geld aus dem neuen Stabilisierungsmechanismus fließen müssen, heißt es weiter.

Erste: Lage bleibt weltweit fragil

Für den Erste-Group-Chefanalysten Friedrich Mostböck sollte der "Rettungsschirm" vorerst reichen, um die Märkte in ihren Sorgen um die Eurozone zu beruhigen. Weltweit bleibe die Situation angesichts der starken Verschuldung vieler Länder und Regionen aber "fragil". "Griechenland ist natürlich ein grässliches Beispiel, aber sicher nicht allein das weltweite Problem", so Mostböck. So seien in der allgemeinen Sorge und Aufgeregtheit um Griechenland von Marktteilnehmern, Medien und Ratingagenturen die Schulden-Probleme vieler anderer Länder und Regionen zuletzt nicht beachtet worden. Man mache es sich zu leicht, wenn man immer nur auf einen kleinen Staat wie Griechenland "hinpeckt", so der Analyst. "Die USA haben ebenfalls eine Neuverschuldung von 12 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, nur geht es hier um etwas andere Dimensionen", so Mostböck. Die USA sei zwar auf Grund ihrer Konstruktion nur bedingt mit der Eurozone vergleichbar, "die Dimension des Defizits ist aber ein gigantisches".

Das von EU und IWF vereinbarte Rettungspaket dürfte sowohl hinsichtlich der Größenordnung des Pakets als angesichts der demonstrierten Geschlossenheit, mit der die Eurostaaten hinter dem Euro stehen, jedenfalls erstmal stabilisierend wirken. "Es wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass sämtliche Attacken gegen den Euro ernsthaft bekämpft werden", so Mostböck. Inflationsgefahr sei von Rettungspaket und Notenbankaktionen ebenfalls nicht zu befürchten.

Nun sei - auch von Seiten der Marktteilnehmer und Anleihengläubiger - Durchhaltevermögen gefragt. "Man muss nun den Staaten auch Gelegenheit geben, sich umzuorientieren, das geht nicht von heute auf morgen", glaubt Mostböck. "Man kann nichts in kürzester Zeit erzwingen , da wird es sicher vieler Maßnahmen bedürfen um nachhaltig zu sanieren", glaubt der Analyst. Unangenehme Konsequenzen werden nicht zu vermeiden sein. "Das wird sicher ernsthafte Einschnitte zur Folge haben, da führt kein Weg dran vorbei. Staaten wie Griechenland werden in ein tiefes Tal der Tränen gehen müssen", so Mostböck.

Felderer sieht "wichtiges Signal"

Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, sieht im Euro-Stabilisierungspaket ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte. "Der Euro ist nicht so leicht zu knacken", diese Nachricht hätten die Märkte offenbar verstanden und die Beruhigung habe eingesetzt, nachdem die Spekulationskrise am Wochenende ihren Höhepunkt erreicht hatte. Felderer wertet die EU-Aktion als "vernünftige Lösung" - "viele andere Möglichkeiten haben sie ja nicht gehabt".

Kritisch sieht der Wirtschaftsforscher hingegen die Ansicht, wonach der Euro in einer bestimmten Relation zum Dollar gehalten werden müsse. Der Euro-Kurs von 1,30 liege deutlich über der Kaufkraftparität, eine Korrektur auf 1,20 wäre aus wirtschaftlichen Gründen nicht schlimm. Der Schwerpunkt müsse eher bei der Stabilisierung der verschuldeten Staaten liegen: Eine Ansteckung von Spanien und Portugal angesichts der Krise um Griechenland sei befürchtet worden, beide Länder hätten während der Krise hohe Defizite gemacht. Italien hingegen habe während der Krise sein Defizit völlig im Griff gehabt. (red/Reuters/APA)