ModeratorIn: Wir begrüßen Heinz Fischer ganz herzlich im Chat und bitten die UserInnen um Fragen!

Heinz Fischer: Ich begrüße sie alle an diesem schönen Tag und hoffe auch auf einen schönen Sonntag. Herzlich Willkommen.

Florian Prischl: Sollten Sie wiedergewählrt werden, was wären die wichtigsten neuen Vorhaben ihrer ersten 100 Tage?

Heinz Fischer: Die ersten 100 Tage meiner neuen Amtszeit sind die Zeit vom 8. Juli bis Ende September. Ich werde der Frage der sozialen Gerechtigkeit bei der Erstellung des Staatshaushaltes Augenmerk widmen, ich werde einige Antrittsbesuche im Ausland machen, die aber auch der Ankurbelung unserer Exporte dienen und ich werde mich anstrengen, die Wahlkampfauseinandersetzungen hinter uns zu lassen und das Gemeinsame in Österreich wieder in den Vordergrund zu rücken.

CM9: Was entgegnen Sie Ihren Kritikern, die Ihnen Antriebslosigkeit und Passivität in Ihrer Art der Amtsausübung vorwerfen?

Heinz Fischer: Diese Kritiker sollen sich einmal meinen Kalender genau anschauen, meine Gesprächspartner vor Augen führen und sie sollen mit Leuten reden, die meine Arbeit wirklich beurteilen können. Von Antriebslosigkeit kann wirklich keine Rede sein.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Würden Sie HC Strache als Kanzler/Vizekanzler/Minister angeloben?

Heinz Fischer: In einer Demokratie wie Österreich hängt die Zusammensetzung der Regierung einerseits vom Bundespräsidenten, aber auch vom Willen der Wählerinnen und Wähler bei einer Nationalratswahl ab. Ich werde zuerst den Wählerwillen und das Wahlresultat abwarten und dann meine Entscheidungen treffen. Vielleicht freut es sie, wenn ich hinzufüge: niemand hat Anspruch auf ein Regierungsamt und die Ernennung durch den Bundespräsidenten ist kein formaler Akt.

Donatella Kasparov: Wenn Sie die macht hätten eine Partei zu verbieten, hätten Sie das bei einer von den österreichischen Parteien machen wollen?

Heinz Fischer: Nein.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Herr Bundespräsident, Sie fordern alle auf, nicht weiß zu wählen. Was wäre –hypothetisch - wenn zB Wolfgang Schüssel oder Andreas Khol antreten würden und kein roter Kandidat? Ganz ehrlich: Würden Sie sie wählen?

Heinz Fischer: Ich habe noch nie bei einer Wahl weiß gewählt (in 50 Jahren) und ich werde auch nie weiß wählen. Denn ich werde nie meine Stimme wegwerfen.

Schljapnikow der IV: Sehen Sie ein demokratiepolitisches Problem darin, dass die Kronenzeitung so viel Macht und Einfluss in Österreich hat?

Heinz Fischer: Jede Zeitung hat so viel Macht, wie sie Leser hat. Aber man muss sich dieser Macht nicht beugen und kann seinen geraden Weg gehen. Und insbesondere muss man sich unrichtigen Argumenten nicht beugen. Das gilt ganz besonders für den Bundespräsidenten, der ein Rückgrat haben muss.

omniscience: S.g. Herr Fischer, ich finde es sehr schade, dass Sie die gestrige TV Konfrontation nicht dazu genützt haben, um Ihre Positionen gegenüber den beiden anderen Kandidaten direkt zu vertreten. Könnten Sie ein kurzes Resumee der gestrigen Diskussion aus

Heinz Fischer: Ich habe gestern nicht in einer Diskussion, die mir wenig niveauvoll erschien, versucht, ein Drittel der Redezeit für mich herauszuschlagen, sondern ich bin eine volle Stunde den Journalisten in der Pressestunde des ORF zu Verfügung gestanden, eine weitere volle Stunde Österreicherinnen und Österreichern im ATV Rede und Antwort gestanden und habe darüber hinaus drei große Zeitungsinterviews gegeben. Im Augenblick beantworte ich Fragen von derStandard.at.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Twitter: Wo sind für Sie die Grenzen, was Rechte/Rechtsextreme in öffentlichen Ämtern angeht? Ist die FPÖ für sie „innerhalb des Verfassungsbogens“?

Heinz Fischer: Meine Grenzen nach rechts sind: die Verfassung, das Verbotsgesetz, dessen Berechtigung ich niemals in Frage gestellt habe, aber auch die Menschenrechtsdeklaration, die mit dem Bekenntnis zur Menschenwürde eine klare Grenze gegen Rassismus, Antisemitismus und Totalitarismus zieht. Der Begriff des Verfassungsbogens hat in den letzten Jahren zu viele Wandlungen erfahren und ist zu willkürlich verwendet worden, als dass er ein Kriterium für den Bundespräsidenten sein könnte.

Top spin: Gibt/gab es Momente in Ihrer ersten Amtszeit die Sie aus heutiger Sicht völlig anders angegangen wären? Wenn ja, welche?

Heinz Fischer: Nein, weil ich mir meine Entscheidungen und Stellungnahmen immer im Vorhinein sorgfältig überlegt habe und daher nicht gezwungen war, nachher im Beisein von Notaren andere Positionen oder neue Interpretationen zu liefern.

blumenrock: Wie schätzen Sie den Stellenwert der Wehrpflicht ein? Bedarf es nicht langsam einer Reform und im Zuge derer einer Abschaffung der Wehrpflicht?

Heinz Fischer: Die Frage Wehrpflicht oder Berufsheer wird seit 50 Jahren immer wieder aufs Neue diskutiert und nach wie vor überwiegen die Argumente für die Wehrpflicht eindeutig.

lubo: Denken Sie über einen NATO-Beitritt nach?

Heinz Fischer: Es gibt keinen Grund, darüber nachzudenken und die Neutralität über Bord zu werfen.

Lucius Vorenus: Angesichts der letzten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und vor allem im Hinblick auf eine strikte Trennung von Staat und Kirche. Ist das Konkordat noch tragbar?

Heinz Fischer: Ich möchte diese Frage benutzen, um meine große und tiefe Betroffenheit über die Vorfälle und Verbrechen im Zusammenhang mit Missbrauch und Schändung von Kindern und Jugendlichen zum Ausdruck zu bringen. Das ist wirklich abscheulich. Aber das Konkordat, also der Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Vatikan, steht einer entsprechenden Behandlung dieser schrecklichen Vorfälle in allen Dimensionen und auf allen Gebieten nicht im Wege. Die Republik ist an strafrechtlicher Aufarbeitung nicht gehindert und daher habe ich keinen Grund für eine Initiative gegen das Konkordat.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Die Ortstafelfrage begleitet sie während ihrer Präsidentschaft – Ich bin enttäuscht, dass sie Kärnten immer noch seine Gesetzesbrüche durchgehen lassen, ich würde mir wünschen dass sie klarere Worte dazu finden!

Heinz Fischer: Meine klaren Worte, die ich schon in vielen Varianten, sowohl in Wien, als auch in Klagenfurt, bei den verschiedensten Gelegenheiten geäußert habe, lauten: 1. Artikel 7 des österr. Staatsvertrages muss erfüllt werden. Nicht nur jeder Mensch, sondern auch jeder Staat, muss einhalten, was er verspricht. 2. der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes zum Inhalt des Artikel 7 muss Rechnung getragen werden, das heißt es müssen zusätzliche Ortstafeln aufgestellt werden. 3. Umgehungsmanöver wie das Verrücken von Ortstafeln, sind nicht zulässig. 4. die Kärntner Landesregierung und der Kärntner Landtag sind mit aller Deutlichkeit aufgefordert, rechtsstaatlichen Grundsätzen Rechnung zu tragen. 5. ich werde auf diesem Gebiet so lange alles tun, was in meiner Möglichkeit steht, um auf die Durchsetzung der vorstehenden vier Punkte hinzuwirken.

sepp schilehrer: Sg Herr Dr. Fischer, werden Sie in einer zweiten Amtszeit (wo Sie ja diesbezüglich nichts mehr zu befürchten haben), pointierter auf die Anti-EU-Hetze der Krone reagieren?

Heinz Fischer: Ich habe mich auch in meiner ersten Amtsperiode vor niemandem gefürchtet und ich werde daher in einer zweiten Amtsperiode - falls ich am kommenden Sonntag gewählt werde - mit Sachlichkeit, Festigkeit, Deutlichkeit und auf der Basis von Fakten das europäische Projekt vertreten und gegen unsachliche Angriffe verteidigen.

Hsmblada: Würde es zu einer Stichwahl zwischen Frau Rosenkranz und Herrn Gehring kommen, wem würden Sie ihre Stimme geben?

Heinz Fischer: Erstens, ich halte eine solche Stichwahl mit der demokratischen Reife der österreichischen Bevölkerung für unvereinbar. Um aber auch diese Frage, die auf einer extrem unwahrscheinlichen Annahme beruht, nicht unbeantwortet zu lassen, sage ich ihnen, dass ich mich auch an einer solchen Stichwahl beteiligen würde, dass ich nicht weiß wählen würde, dass ich aber das Wahlgeheimnis in Anspruch nehme.

Ununpentium: Werden Sie im Ausland auf die rechten Parteien in Österreich angesprochen bzw. was sagen Sie darauf?

Heinz Fischer: Ich werde im Ausland sehr selten auf die österreichische Parteienlandschaft angesprochen. Höchstens im Gespräch mit Staatspräsidenten aus benachbarten Ländern, mit denen ich persönlich befreundet bin, ergibt sich manchmal eine Diskussion über Details unserer Innenpolitik, wobei ich dann nach bestem Wissen und Gewissen und unter Wahrung österreichischer Interessen, in ein solches Vier-Augen-Gespräch eintrete.

Fred Albers: Jeder weiß, dass eine Verwaltungsreform dringend nötig wäre, sie scheitert an Partikularinteressen. Warum ergreift der BP hier nicht öffenltich das Wortß

Heinz Fischer: Auch wenn meine Funktion Bundes-Präsident heißt, fühle ich mich auch für die Länder und Gemeinden mitverantwortlich. Es ist mir daher wichtig in Auseinandersetzungen zwischen Gebietskörperschaften nicht der Parteilichkeit geziehen zu werden. Das Gesamtprojekt Verwaltungsreform werde ich aber in einer kommenden Funktionsperiode sicherlich unterstützen.

ÖNorm: S.g. HBP, als Jungwähler frage ich Sie wie Sie junge Wähler für die Politik begeistern wollen, bzw. was Sie für junge Menschen (Studenten bitte eingeschlossen) in kommender Periode tun wollen.

Heinz Fischer: Vielleicht darf ich zunächst sagen, was ich bisher getan habe: ich habe regelmäßig (fast monatlich) zu Schülertagen und Schülerdiskussionen in dei Hofburg eingeladen, ich habe viele Schulen besucht, habe Vertreter von Jugendorganisationen, zum Beispiel Bundesjugendring oder Gewerkschaftsjugend, zu Aussprachen eingeladen, habe vor Jugendorganisationen Referate gehalten, habe mich mit Hilfe moderner Medien an Jungwähler gewendet, habe versucht, zu Themen Stellung zu nehmen, die für junge Menschen wichtig sind (Jugendarbeitslosigkeit, Lehrwerkstätten, Kampf gegen Extremismus und so weiter), werde das in einer kommenden Funktionsperiode fortsetzen und gerne Vorschläge prüfen, wie man das noch intensivieren und verbessern kann (obwohl auch mein Tag nur 24 Stunden und meine Woche nur 7 Tage hat und manchmal auch Platz für den Besuch eines Fussballmatches oder eines Jazz-Konzerts sein muss).

schon joeh: kam eine auflösung des nationalrates für sie in frage bzw. warum haben sie ihn nicht aufgelöst, als martin graf zum 3. nr-präsident gewählt wurde?

Heinz Fischer: Eine Auflösung des Nationalrats kam in den letzten sechs Jahren für mich nicht in Frage, so wie es auch für meine sieben Amtsvorgänger in den vorausgegangenen 59 Jahren keinen Grund für eine Auflösung gegeben hat. Und ehrlich gesagt, so wichtig ist der dritte Präsident M.G. sicher nicht, dass man seinetwegen den Nationalrat auflöst.

captankarotte: warum haben sie sich damals (2006) gegen eine Minderheitsregierung unter Gusenbauer gestellt? und würden sie es im nachhinein wieder tun?

Heinz Fischer: Das Wahlresultat des Jahres 2006 hat klar und deutlich gezeigt, dass eine von SPÖ und ÖVP getragene Bundesregierung dem Wählerwillen im höchst möglichen Maß entspricht und die Grundlage für politische Stabilität auf der Basis einer parlementarischen Mehrheit schafft. Von diesen Prämissen ist der Auftrag zur Bildung einer "stabilen Bundesregierung" ausgegangen und Dr. Gusenbauer hat diesen Auftrag erfüllt.

Panic!: Wenn Sie die Möglichkeit hätten drei Dinge in Österreich zu ändern, was würden Sie ändern?

Heinz Fischer: Ich würde Gewalt, Armut und Ungerechtigkeit abschaffen. Aber ich bin mir bewusst, dass solche Fragen jenseits der Realisierbarkeit liegen und daher auch die Antworten nicht jenen Ansprüchen gerecht werden, die ich in der Regel an meine eigenen Antworten stelle. Nichts für ungut.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Der Assistenzeinsatz ist verfassungswidrig, das sagen renommierte Verfassungsjuristen. Widersprechen Sie Ihnen?

Heinz Fischer: Die Bundesregierung widerspricht dieser Behauptung der Verfassungswidrigkeit und in einem Gespräch mit dem früheren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Univ.-Prof. Dr. Adamovich, bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtslage nicht jene Klarheit aufweist, die eine eindeutige Antwort ermöglicht. Es ist aber mein Wunsch, dass der gesamte Komplex im Herbst nochmals auf das sorgfältigste (das heißt auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten) geprüft wird und entschieden wird, ob die Argumente für Beendigung oder Fortsetzung überwiegen. Das muss auch in transparenter Form argumentiert und begründet werden.

CM9: Glauben Sie, dass Ihnen Ihr öffentliches Bekenntnis zum SK Rapid Wien bei der BP-Wahl Stimmen kosten könnte?

Heinz Fischer: Ehrlich gesagt, ich glaube das nicht. Aber ich bin auch beim Fussball kein Opportunist oder Wendehals und habe mich diesbezüglich nie versteckt.

ModeratorIn: Wir bedanken uns bei Heinz Fischer fürs Chatten und bei den UserInnen für die vielen Fragen. Leider konnte wegen des großen Andrangs nur ein Bruchteil davon gestellt werden.

Heinz Fischer: Liebe Userinnen und User, danke für die Fragen, es hat mir viel Freude gemacht, es waren viele gute Fragen und wir setzen unseren Dialog fort. Ich wünsche ihnen alles Gute, herzlichst HeiFi.