Hadert mit dem ORF, der Kirche und dem Koalitionspartner: ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf will Aufklärung und weniger Provokation - dafür aber bessere Kommunikation in der Regierung.

Foto: Fischer

Standard: Sind Sie praktizierender Katholik?

Kopf: Ich bin Christ, aber ich gehe eher unregelmäßig in die Kirche.

Standard: Wie geht es Ihnen derzeit mit der Kirche? Was halten Sie von der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe?

Kopf: Ich halte die Kirche für eine wichtige, auch moralische Institution, die aber im Moment leider große Legitimationsprobleme hat. Die Art, wie auf die Missbrauchsvorwürfe reagiert wird, ist höchst unbefriedigend und verunsichert viele Katholiken.

Standard: Kardinal Schönborn hat die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als Leiterin einer Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe eingesetzt. Wie sehen Sie das?

Kopf: Waltraud Klasnic ist eine absolut integere Persönlichkeit, die sehr gut geeignet ist, diese Kommission zu leiten. Ich glaube, dass sie auch für die Opfer vertrauenswürdig ist.

Standard: Klasnic ist eine prominente ÖVP-Politikerin. Fürchten Sie nicht, dass Ihre Partei zu sehr in kircheninterne Angelegenheiten hineingezogen werden könnte?

Kopf: Klasnic ist eine ehemalige Politikerin. Das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen. Es kann doch nicht so sein, dass man jemanden, der einmal politisch tätig war, automatisch die moralische und intellektuelle Fähigkeit abspricht, so eine Aufgabe zu übernehmen.

Standard: Sind Sie Mitglied des Akademikerbundes?

Kopf: Bin ich nicht.

Standard: Wie konnte es passieren, dass Josef Müller, der extreme Positionen vertritt, was das NS-Verbotsgesetz, die Gleichberechtigung oder die Zuwanderung betrifft, so lange als Chef des Wiener Akademikerbundes und ÖVP-Mitglied toleriert wurde, obwohl man doch wusste, wofür der Mann steht?

Kopf: In der Regel braucht es immer einen Anlass, um sich von so jemanden zu trennen. Wir haben in Organisationen immer wieder eine ziemliche Spannbreite der persönlichen Meinungen und der Positionierungen. Man ärgert sich vielleicht über jemanden, aber bis es so weit kommt und man einen Schritt setzt, braucht es eben diesen letzten Tropfen.

Standard: Das würde aber heißen, dass die inhaltliche Spannbreite der Volkspartei ziemlich weit reicht, nämlich nach ganz rechts.

Kopf: Was soll jetzt diese Diskussion? Nein, jede Partei hat ihre Leute, die auch aus Sicht der Partei Grenzgänger sind. Man kann nicht jeden gleich wegen einer politischen Meinungsäußerung ausschließen. Aber das muss Grenzen haben, und die sind mit diesem Brief überschritten worden.

Standard: Wen werden Sie am 25. April wählen? Sie haben die Wahl zwischen Barbara Rosenkranz, Rudolf Gehring und Heinz Fischer.

Kopf: Ich werde weiß wählen.

Standard: Was spricht gegen Heinz Fischer? Er ist immerhin der Kandidat Ihres Koalitionspartners.

Kopf: Eben. Wir haben eine Koalition, aber wir haben nicht die Parteien fusioniert. Heinz Fischer ist der Kandidat der SPÖ.

Standard: Genau genommen ist er jetzt überparteilich.

Kopf: Er war immer ein exponierter Vertreter des sozialdemokratischen Lagers. Das sagt nichts über seine persönliche Integrität aus. Aber er ist politisch sehr klar links positioniert und daher für mich nicht wählbar.

Standard: Sie waren der erste Politiker, der sich zu der umstrittenen "Am Schauplatz"-Sendung mit den beiden Skinheads zu Wort gemeldet und sich auf die Seite von Heinz-Christian Strache gestellt hat. Haben Sie sich nach drei Wochen Aufregung schon eine abschließende Meinung gebildet?

Kopf: Urteil maß ich mir keines an, da sind noch zu viele Dinge im Unklaren. Und ich stell mich nicht auf Straches Seite. Aber es gibt eindeutige Vernehmungsprotokolle der beiden Skinheads. Die beiden wurden vom Redakteur angeheuert und bezahlt. Und zwar täglich bezahlt, was mit der Abgeltung von Persönlichkeitsrechten wohl nichts mehr zu tun hat. Sie wurden mit einschlägigen Utensilien ausgestattet und mit Produktionsfahrzeugen zu einer politischen Kundgebung des Herrn Strache geführt.

Hier wurden Grenzen des journalistisch Zulässigen überschritten. Hier wurde fiktionales Programm hergestellt und als Dokumentation verkauft. Der strafrechtlich relevante Vorwurf, dass die beiden zu "Sieg Heil"-Rufen angestiftet wurden, ließ sich bisher nicht belegen, weil der ORF das gesamte Material nicht herausgibt.

Standard: Sind Sie der Meinung, dass der ORF das gesamte Material herausgeben sollte?

Kopf: Wozu gibt es das Redaktionsgeheimnis? In der Regel zum Schutz der Informanten. Aber die sind ja bereits bekannt.

Standard: Man kann auch bekannte Informanten schützen.

Kopf: Aber wenn sich die beiden Informanten permanent selbst outen, frag ich mich schon, ob das schützenswert ist. Wie auch immer: Dass die beiden vom ORF chauffiert, bezahlt und ausgestattet wurden, bestreiten sie ja nicht. Das hat mich medienpolitisch immer mehr interessiert. Ob dieser Sager gefallen ist, da muss sich die Staatsanwaltschaft darum kümmern. Mir geht es um die Inszenierung und um die Manipulation einer Reportage. Hier wurden Grenzen überschritten.

Standard: Das BZÖ und die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss, weil die Beschuldigten angeben, von der Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein. Die SPÖ ist für die Einsetzung einer Kommission. Was kann oder muss die Politik für Maßnahmen setzen, um die Vorwürfe aufzuklären?

Kopf: Vorwürfe von Beschuldigten, ihre Einvernahme sei nicht korrekt abgelaufen, gibt es zuhauf. Das klärt am Ende des Tages das Gericht. Warum soll es in diesem Fall anders gehandhabt werden? Das Parlament ist mit Sicherheit der falsche Ort, um so etwas zu klären. Darum ist die Forderung nach einem U-Ausschuss auch völlig sinnlos. Wir werden dem sicher nicht nähertreten.

Standard: Wie ist es um das Koalitionsklima bestellt? Kriselt es seit den Gemeinderatswahlen?

Kopf: Bei uns nicht. Spaß beiseite. Natürlich sind die Wahlergebnisse für die SPÖ eine Belastung. Wir bekommen das auch zu spüren. Da haben manche das dringende Bedürfnis, sich pointierter auszudrücken. Man denke nur an die Steuerdebatte. Die Vorschläge der SPÖ, und nicht nur die von Voves, sind gezielt darauf ausgerichtet, die ÖVP-Klientel zu ärgern und die eigene zu befriedigen.

Standard: Seit ein paar Wochen ist klar, dass es Steuererhöhungen geben wird. Eigentlich war das schon viel länger klar, aber erst seit kurzem wird das auch von der Politik so kommuniziert. Setzen Kanzler und Vizekanzler nicht die politische Glaubwürdigkeit aufs Spiel, wenn sie so plötzlich ihre Argumentation ändern?

Kopf: Der Zugang von beiden Parteien war ein unterschiedlicher. Mit Ausnahme des Bundeskanzlers waren in der SPÖ relativ viele für Steuererhöhungen, vom ersten Tag an. Wie gesagt, sehr einseitig, zur Befriedigung der eigenen Klientel und zum Ärger unserer. Wir haben lange ernsthaft daran festgehalten, dass wir keine Steuererhöhungen wollen.

Aber letztlich hilft es eh nichts. Eine Lösung musste her, der Kompromiss steht, wir haben uns dazu bekannt. Vielleicht hätte man den Kompromiss kommunikativer besser aufbereiten können, damit der Kurswechsel nicht so abrupt stattfindet. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2010)