Papst Benedikt XVI. hat sich endlich zu den Missbrauchsfällen geäußert. Er hat einiges klargestellt, war aber nicht klar genug - und hat in seinem Hirtenbrief allzu vieles nicht angesprochen: Zwar hat der Papst "von den Sünden und dem Versagen einiger Mitglieder der Kirche" geschrieben und geht mit den irischen Geistlichen scharf ins Gericht: "Ihr habt Schande und Unehre auf Eure Mitglieder gebracht." Aber damit hat er die Missbrauchsfälle als begrenztes Phänomen dargestellt und den dortigen Priestern und Bischöfen die alleinige Schuld zugewiesen.

Die Verantwortung des Vatikans und seine eigene als Chef der Glaubenskongregation spart Ratzinger aus. Er war in dem Gremium mehr als 20 Jahre damit befasst, wie mit Missbrauchsfällen umzugehen ist. So soll es ein von Ratzinger vertretenes Dokument (Crimen sollicitationis) geben, das eine Schweigeverpflichtung vorsieht - für das Opfer, den Priester und allfällige Zeugen. Verschweigen und Vertuschen - und höchstens eine Versetzung des Priesters.

Ein solcher Fall ist nun auch aus Ratzingers Amtszeit als Erzbischof von München und Freising bekanntgeworden. In den 80er-Jahren durfte ein einschlägig vorbelasteter Priester wieder Gemeindearbeit machen, verging sich erneut an Jugendlichen und wurde dann gerichtlich verurteilt. Ein Satz des nunmehrigen Papstes hätte gereicht, um Klarheit zu schaffen.

Unklar ist auch, ob sich das Schreiben des Vatikans auch auf Deutschland und Österreich bezieht. "Es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist", heißt es im Hirtenbrief. Wohl wahr, auch in nichtkirchlichen Einrichtungen ist es zu Übergriffen gekommen. Damit wird nur Verantwortung abgeschoben, das macht die Schuld nicht kleiner. Und wenn der Papst auch eine Botschaft an andere Länder vermitteln wollte, warum sagt er das nicht deutlich? Der Papst-Sprecher meint, es könne noch etwas kommen: Sollte er "es für notwendig halten, so wird sich der Papst auch mit den Problemen in Deutschland befassen". Wie groß müssen die Probleme in diesen Ländern werden, bis der Papst dazu Stellung bezieht?

Dass der Papst Fehler im kirchlichen System nicht klar benennt, sondern den "schnelllebigen sozialen Wandel" in Irland dafür verantwortlich macht, lässt darauf schließen: Er hat nichts verstanden oder er will nichts verstehen und vor allem keine Konsequenzen ziehen.

Zwar ist der Aufruf "Unterwerft Euch der Rechtsprechung" ein erster, wichtiger Schritt. Aber weiterzugehen, eine Anzeigepflicht und Entschädigungszahlungen zu versprechen oder gar tiefergehende Ursachen, wie den Zölibat, zu benennen, verweigert Benedikt XVI. Wenn selbst konservative Politiker und engagierte Katholiken wie Andreas Khol im Profil nun mit Vehemenz eine Aufhebung des Zölibats fordern, dann zeigt dies die Dimension der Krise.

Solange sich ihr Oberhaupt nicht klar äußert, wird weiter von den Verfehlungen der katholischen Kirche die Rede sein. Was fehlt, ist eine Entschuldigung des Papstes für die Rolle, die die kirchliche Hierarchie beim Schutz der Täter auf Kosten der Opfer gespielt hat. Solange die Institution - und als ihr Oberhaupt der Papst - nicht Verantwortung dafür übernimmt und strukturelle Konsequenzen zieht, werden sich immer mehr Menschen von dieser Kirche abwenden.(Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD Printausgabe 22.3.2010)