"Ich habe für mich persönlich entschieden, dass ich auf alle Aussagen, die der Herr Bürgermeister unter der Gürtellinie trifft, nicht reagiere"

Foto: Standard/Matthias Cremer

"Die Wähler wollen mich als starken Oppositionspolitiker oder als Nummer eins eines Veränderungsprozesses"

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Standard: Mit der Volksbefragung hat Ihnen Michael Häupl über Wochen die Show gestohlen. Wie wollen Sie im Wiener Wahlkampf wieder auf sich aufmerksam machen?

Strache: Die Volksbefragung ist an den wesentlichen Themen völlig vorbeigeschrammt. Und dann ist man noch hergegangen und hat versucht, mit Manipulationen die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

Standard: Ihre neuen Werbeplakate wirken vergleichsweise versöhnlich, ist das die neue Linie der FPÖ?

Strache: Ich habe für mich persönlich entschieden, dass ich auf alle Aussagen, die der Herr Bürgermeister unter der Gürtellinie trifft, nicht reagiere. Schon was er in den letzten Wochen und Monaten von sich gegeben hat, spricht eher von Hass und anderen Befindlichkeiten. Davon lasse ich mich auch nicht provozieren. Wir stehen für eine positive Ansage. Häupl versucht ja, mit Schreiereien und Brachialausdrücken auf sich aufmerksam zu machen.

Standard: Apropos Brachialausdrücke: Der FPÖ-Abgeordnete Werner Königshofer riet Kardinal Schönborn, sich um "Klosterschwuchteln" zu kümmern, anstatt sich zu Barbara Rosenkranz zu äußern. Wie sehen Sie das?

Strache: Das ist die Meinung von Königshofer, wo ich persönlich sage, dass er sich im Ton vergriffen hat. Das ist nicht meine Wortwahl. Ich verstehe aber die große Sorge vieler Katholiken angesichts der Missbrauchsfälle und ihren Ärger über manche Aussagen von Kirchenvertretern.

Standard: Inhaltlich geben Sie Königshofer also recht? Ein Kardinal soll sich nicht zu politischen Fragen äußern?

Strache: Das ist der Punkt: Wenn man als Kirchenvertreter sich permanent zu politischen Fragen öffentlich äußert und damit die Trennung zwischen Religion und Staat ad absurdum führt, sich permanent politisch einmischt, dann darf man sich nicht wundern, dass viele Katholiken dieses parteipolitische Verhalten nicht nachvollziehen können.

Standard: Die SPÖ versucht in Wien die Absolute zu halten, indem sie vor Schwarz-Blau-Grün warnt. Können Sie sich eine Koalition mit diesen beiden Parteien vorstellen?

Strache: Das ist doch lächerlich. Es steht doch heute schon fest, dass die SPÖ mit der ÖVP handelseinig ist. Und wenn die ÖVP nicht spurt, dann gibt's die Grünen. Häupl verschweigt ja, dass er nach dem Wahltag in Pension geht und dann Renate Brauner kommt.

Standard: Wenn Häupl die Absolute halten kann, wird er sich wohl nicht verabschieden.

Strache: Ich bin überzeugt davon, dass er die nicht erringen wird. Wien soll offener und transparenter werden. Ich würde als Bürgermeister Sprechstunden machen, jeder soll zu mir und zu meinen Beamten kommen können.

Standard: Weil wir gerade bei der Präsenz sind: Ist es nicht unglaubwürdig, das Duell um Wien auszurufen und weiter im Parlament statt im Rathaus zu sitzen?

Strache: Die Bevölkerung soll entscheiden, wo sie mich haben will, um endlich Dinge zu verbessern. Den anderen Parteien ist ja nur wichtig, in einer Regierung zu sitzen.

Standard: Würden Sie ein Koalitions-Angebot von ÖVP und Grünen ablehnen?

Strache: Die Grünen grenzen uns aus. Das zeigt doch, dass die mit Demokratie überhaupt nichts anfangen können.

Standard: Sie hätten kein Problem mit einer blau-grünen Koalition?

Strache: Ich bin in jeder realistischen Konstellation der Erste, der zur Verfügung steht, wenn es darum geht, Verbesserungen für die Bevölkerung sicherzustellen. Blau-Grün ist aber unrealistisch.

Standard: Für welchen Job würden Sie ins Rathaus wechseln?

Strache: Ich stehe als Bürgermeisterkandidat zur Verfügung. Ich bin jemand, der offen auf Menschen zugeht, der jeden Menschen nach seinem Anstand und seinem Charakter beurteilt und nicht nach seiner Herkunft und Kultur.

Standard: In der jüngeren Vergangenheit mussten sich Martin Graf, Barbara Rosenkranz und Sie selbst vom Nationalsozialismus distanzieren. Warum ist das bei FPÖ-Politikern immer wieder notwendig?

Strache: Wir sind keine Vergangenheitspartei. Aber wenn die Medien permanent die gleichen Fragen stellen und nicht hören wollen, was man sagt, dann muss man offenbar immer wieder das wiederholen, was man schon 1000-mal gesagt hat.

Standard: Aber offenbar fehlt die klare Antwort. Sie haben das Verbotsgesetz ja auch angezweifelt.

Strache: Das habe ich nicht. Ich habe den Strafrahmen infrage gestellt, denn: Es kann doch nicht schlau sein, dass man junge, depperte Buam gleich mit zehn Jahren Haft bedroht.

Standard: Was wäre angemessen?

Strache: Ich diskutiere mit Ihnen nicht über Detailfragen. Sie sind diejenigen, die Debatten in diese Richtung bringen wollen. Ich stehe dafür nicht zur Verfügung.

Standard: In der Steiermark sollen junge FPÖ-Mitglieder in einem Lokal "Heil Hitler" und "Heil HC" gerufen haben.

Strache: Ich höre das zum ersten Mal. Ich kenne solche Behauptungen zuhauf, und ich erlebe bei meinen Veranstaltungen, dass Mitglieder der Sozialistischen Jugend die rechte Hand zum Hitlergruß heben, solche Sachen von sich geben, um mich zu provozieren. Warum schreiten da die Behörden nicht ein?

Standard: Das sind sie bereits. Junge Freiheitliche tun so etwas nicht?

Strache: Davon gehe ich aus. Und wenn doch, dann haben sie bei uns nichts verloren.

Standard: Haben Sie nicht als Bundespräsident kandidiert, weil Sie befürchtet haben, dass die SPÖ die Wien-Wahl vorverlegt?

Strache: Der Bürgermeister hätte die Gemeinderatswahl auf den 2. Mai vorverlegt, und ich hätte nicht für beides kandidieren können.

Standard: Glauben Sie wirklich, dass die FPÖ am 10. Oktober stimmenstärkste Partei werden kann?

Strache: Die Wähler entscheiden. Aber man muss sich was zutrauen, wenn man was erreichen will.

Standard: Ein Gutteil Ihrer Wähler sieht Sie in der Rolle des Oppositionspolitikers. Wollen sie Sie überhaupt als Bürgermeister sehen?

Strache: Die Wähler wollen mich als starken Oppositionspolitiker oder als Nummer eins eines Veränderungsprozesses. (Andrea Heigl und Martina Stemmer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.03.2010)