Europa spielt "Fang den Hut": Wer schnappt sich die Spekulanten am schnellsten?

Montage: Otto Beigelbeck

Die EU hat Spekulanten den Kampf angesagt, vor allem Credit Default Swaps geraten ins Visier Brüssels. Doch England legt sich bereits quer. Auch Experten sind kritisch. 

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Wien - Nur einen Tag nachdem führende EU-Politiker eine Begrenzung hochspekulativer Geschäfte mit Kreditbesicherungen gefordert haben, folgte die Abfuhr aus London. Es bestehe kein Anlass für überhastete Reformen, hieß es von der Financial Service Authority, der obersten britischen Finanzregulierungsbehörde.

Athens Probleme seien hausgemacht und nicht Spekulationen mit den sogenannten Credit Default Swaps (CDS) geschuldet. London gilt neben New York als größter Handelsplatz für CDS.

Noch am Dienstag hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine neue EU-Richtlinie, die mehr Transparenz bei den CDS schaffen soll, bis zum Sommer angekündigt. In Deutschland und Frankreich wird sogar über ein Verbot bestimmter CDS-Geschäfte diskutiert.

Allerdings ist der koordinierte Angriff auf die CDS auch außerhalb Englands umstritten. CDS sind im Grunde simple Versicherungsgeschäfte: Ein Kreditgeber besichert sich bei einem Dritten gegen den Zahlungsausfall seines Schuldners, CDS gibt es für Unternehmen wie für Staaten.

Mit dem Finanzinstrument lässt sich aber auch spekulieren. CDS können selbstständig, also ohne Geschäft, das besichert werden soll, geschlossen werden. So lässt sich etwa auf eine Staatspleite wetten. Das Problem: Steigen die Kosten für Versicherungen wegen Spekulationen an, kann ein Staat als marod wahrgenommen werden, wodurch er für geliehenes Geld mehr zahlen muss. Genau das soll im Falle Griechenlands passiert sein: "Spekulanten machen jeden Tag Milliardengeschäfte, indem sie auf unsere Pleite wetten", kritisierte Griechenlands Premier Georgios Papandreou. Für seine vergangene Woche platzierte Fünfjahresanleihe musste Athen Investoren um 750 Millionen Euro mehr an Zinsen zahlen, als dies bei Deutschland der Fall gewesen wäre.

Finanzexperten streiten den Zusammenhang von CDS und Zinskosten auch nicht ab. Das Herumgehacke auf den CDS sei dennoch unsinnig, sagt Friedrich Heinemann, Leiter des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. "Der CDS-Markt funktioniert und zeigt das Ausfallsrisiko akkurat an", sagte Heinemann dem Standard. Die Zinskosten für griechische Anleihen seien wegen der desolaten Lage des griechischen Haushaltes so hoch. Ob CDS verboten werden, ändere daran wenig.

Ein Verbot könnte sogar schädlich sein: "Wenn sich niemand mehr versichern kann, wird überhaupt niemand mehr griechische Anleihen kaufen."

Vorsichtiger ist der Analyst und CDS-Experte Michael De Man von der deutschen KBC-Bank. Bestimmte CDS-Geschäfte seien tatsächlich rein spekulativ, etwa wenn jemand im großen Stil Ausfallsversicherungen für die USA und Deutschland abschließe. "Keine Bank kann so ein Risiko tragen", sagt De Man.

Ein Problem sieht er auch in der Intransparenz. CDS werden nicht über Börsen, sondern zwischen Banken gehandelt. Dadurch können systematische Risiken entstehen, etwa wenn ein Marktteilnehmer die Prämien einstreicht und zu viele Versicherungen begibt.

Mehr Transparenz zu schaffen hält De Man aber für fast unmöglich. Eine Idee der EU ist es etwa, dass künftig nur mehr CDS gekauft werden können, wenn man auch die versicherte Staatsanleihe gekauft hat. "Aber wie will man das kontrollieren? Es lässt sich kaum sicherstellen, dass nicht ein und dieselbe Anleihe für hunderte CDS-Geschäfte genutzt wird."

Einen von Berlin und Paris angedrohten Alleingang bei den CDS hält er ebenfalls für unmöglich: "Solange die Spekulation in einem Staat erlaubt ist, werden die Geschäfte einfach ausgelagert."

Um die Eindämmung von Spekulation ging es Mittwoch auch im EU-Parlament. Das Parlament hat mit deutlicher Mehrheit von 536 gegen 80 Stimmen die Kommission aufgefordert, die Einführung von Steuern auf Finanzgeschäfte zu prüfen. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.03.2010)