Seine Kandidatur: "Ich habe vor überhaupt keinem Kandidaten Angst und auch die Republik muss sich nicht fürchten. Weder vor einem Habsburger, noch vor sonst jemanden."

Foto: STANDARD/Matthias CREMER

Über den Grenzeinsatz: "Die Politik kann kein Interesse daran haben, dass in puncto Sicherheitsgefühl Verschlechterungen eintreten, weil das der Boden für alle möglichen populistischen Aktionen ist."

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Fischer zum Burschenschafte-Ball: "Glauben Sie ernsthaft, dass ich mich in die Geschäftsgebarung dieser Gesellschaft einmischen kann? Auf welcher Rechtsgrundlage könnte ich das tun?"

Cremers Photoblog: Die Verfassung und der Präsident

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Standard: Warum spricht der Bundespräsident bei Arigona Zogaj kein Machtwort?

Fischer: Weil wir in einem Rechtsstaat leben, der auf Gesetzen beruht und nicht auf "Machtwörtern". Aber es gibt einen gewissen Spielraum für diejenigen, die das Gesetz anzuwenden haben. Das ist in diesem Fall nicht der Bundespräsident, aber er darf dazu eine Meinung äußern. Ich habe das zuletzt am 24. Dezember im Fernsehen bei "Licht ins Dunkel" getan.

Standard: Sie hatten sich gewünscht, dass die junge Frau nicht des Landes verwiesen wird. Was ist konkret Ihr Ratschlag an die Regierung?

Fischer: Rechtsstaatlichkeit und Humanität auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Standard: Warum polarisiert eine Figur wie dieses Mädchen so sehr?

Fischer: Es gibt sehr viele Menschen, die sich dadurch nicht polarisieren lassen. Aber es gibt sehr emotionelle Reaktionen, ich kann mir das nicht erklären. Vielleicht ist es ein bisschen das schlechte Gewissen, dass sich das Ganze schon so lange hinzieht. Dass jemand schon so lange in Österreich ist und noch immer nicht ausreichende Integrationsbereitschaft wahrgenommen wird, was zur Emotionalisierung beiträgt.

Standard: Was vermittelt das für ein Bild über die Politik und was sagt das über den Umgang mit Flüchtlingen aus, wenn alle Landeshauptleute laut aufschreien, wir wollen keine Asylwerber, wie das in der Debatte um das geplante Erstaufnamezentrum in Eberau geschehen ist?

Fischer: So ist es ja nicht. Die Landeshauptleute haben eine Vereinbarung getroffen über die Aufteilung auf die einzelnen Bundesländer. Es wäre wichtig, dass diese Vereinbarung eingehalten wird. Kärnten ist leider ein Bundesland, das davon sehr weit weg ist. Das ist absolut nicht erfreulich.

Standard: Im Burgenland gibt es den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze. Insgesamt sieben Menschen wurden vergangenes Jahr aufgegriffen. Steht der Aufwand dafür?

Fischer: Wenn Sie die Bevölkerung des Burgenlandes fragen, lautet die Antwort Ja.

Standard: Das ist das so genannte subjektive Sicherheitsgefühl.

Fischer: Das ist ja auch etwas wert.

Standard: Aber ist es mehr wert als die Verfassung? Experten sagen, dieser Grenzeinsatz entspricht ihr nicht.

Fischer: Der Grenzeinsatz ist so gestaltet, dass man nicht sagen kann, er ist verfassungswidrig. Er ist nicht zwingend notwendig. Die Politik kann aber kein Interesse daran haben, dass in puncto Sicherheitsgefühl Verschlechterungen eintreten, weil das der Boden für alle möglichen populistischen Aktionen ist. Da ist es mir lieber, der Assistenzeinsatz wird mit Zustimmung der Bevölkerung verlängert, als er wird beendet und die Stimmung wird kritischer und der Nährboden für alle möglichen Aktionismen wird gedünkt.

Standard: Wären konkrete Aktionen nicht sinnvoller? Ist die Politik nicht gefordert konkret zu handeln als nur einem Gefühl entgegenzukommen?

Fischer: Das ist kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch. Ich kann sagen, ich registriere, dass der Assistenzeinsatz des Bundesheeres Akzeptanz bei der Bevölkerung, bei der Regierung und beim Landeshauptmann findet. Das sind Fakten, die man nicht vom Tisch wischen soll.

Standard: Dann sollte das Burgenland die Kosten dafür tragen.

Fischer: Darüber kann man im Finanzausgleich verhandeln.

Standard: Ulrich Habsburg-Lothringen möchte mit einer Kandidatur zur Präsidentschaftswahl eine Entscheidung über das Habsburger-Verbot bei Wahlen erzielen. Hätten Sie Angst vor eine Kandidatur eines Habsburgers? Muss sich die Republik noch fürchten?

Fischer: Ich habe vor überhaupt keinem Kandidaten Angst und auch die Republik muss sich nicht fürchten. Weder vor einem Habsburger, noch vor sonst jemandem. Herr Habsburg hat in einem Brief an mich festgestellt, man müsste doch das Problem der Habsburger-Gesetze zumindest bis zum 100. Geburtstag der Republik einer Lösung zuführen können. Das halte ich für kein unbilliges Verlangen.

Standard: Ist das Verbot noch zeitgemäß?

Fischer: Dieses Verbot ist nach dem Zusammenbruch der Monarchie einvernehmlich in die österreichische Bundesverfassung geschrieben worden und ist bis heute Bestandteil der Verfassung. Ob es zeitgemäß ist, muss man prüfen. Ich akzeptiere jede vernünftige Entscheidung, die als Resultat eines Diskussionsprozesses vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird.

Standard: In der Hofburg gab es vergangene Woche den Ball der Burschenschafter. Wie geht es Ihnen mit solchen Untermietern?

Fischer: Ich bin sehr froh, dass Sie diese Frage stellen und das Wort Untermieter verwenden, wie das auch in einigen E-Mails an die Präsidentschaftskanzlei geschehen ist. Ich darf in aller Form klarstellen, die Präsidentschaftskanzlei hat mit der Vermietung jener Veranstaltunsgräume nichts zu tun. Wir verfügen über einen kleinen Teil der Hofburg, den Leopoldinischen Trakt. Das Kongresszentrum und die Ballveranstaltungsräume werden von einer GesmbH verwaltet. Ich bin nicht einmal informiert, welche Veranstaltungen dort stattfinden. Geschweige denn, wer die Veranstalter sind.

Standard: Aber die Symbolik ist schief. Der Ball findet in der Hofburg statt. Das ist eines der wichtigsten Gebäude der Republik. Und Ihre Worte wiegen schwer.

Fischer: Glauben Sie ernsthaft, dass ich mich in die Geschäftsgebarung dieser Gesellschaft einmischen kann? Auf welcher Rechtsgrundlage könnte ich das tun?

Standard: Aber Sie könnten öffentlich Stellung nehmen.

Fischer: Das ist eine Ballveranstaltung. Von den Sicherheitsbehörden ist zu prüfen, ob es einen Grund gibt, sie zu verbieten. Wenn ja, ist sie zu verbieten. Wenn nicht, kann sie stattfinden. Dass Sie mich dort nicht antreffen werden, darauf können Sie Gift nehmen. Und dass ich nicht die geringste Sympathie für die Organisation und ihr Treiben habe, stelle ich hier gerne öffentlich fest.

Standard: Nach diesem Ball ist die Diskussion über den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf wieder aufgeflammt, der die Parlamentssitzung geschwänzt hat, um auf den Ball zu gehen. Die Grünen haben erneut einen Abwahlantrag gestellt. Wie stehen Sie dazu?

Fischer: Ich war Nationalratspräsident und habe meine Kompetenzen im parlamentarischen Bereich in vollem Umfang ausgeschöpft. Ich habe mich um Objektivität und Konformität mit der Geschäftsordnung bemüht. Und der Bundespräsident hat mir niemals dreingeredet. Daher mische ich mich heute nicht ein, wer dritter Nationalratspräsident ist oder wie man die Geschäftsordnung optimal gestaltet. Ich halte aber fest, dass es klug gewesen wäre, jemand anderen von der drittstärksten Fraktion zum dritten Nationalratspräsidenten zu wählen.

Standard: Würden Sie die FPÖ als Regierungspartei angeloben?

Fischer: Ich würde zuerst einmal das Wahlresultat abwarten. Und welche Festlegungen es gibt. Es kann ja sein, dass jemand sagt, wenn ich Dritter werde, trete ich nicht in die Regierung ein. Das muss man ernst nehmen und berücksichtigen. Dann kann man sich eine Meinung bilden. Aber jetzt, drei Jahre vor einer Wahl, zu sagen, welche Vertreter welcher Parteien man zu Regierungsmitgliedern ernennen würde, wäre geradezu leichtfertig, unprofessionell und unseriös.

Standard: Würden Sie Martin Graf als Minister angeloben?

Fischer: Ich bleibe dabei, dass ich mich nicht lange vor einer Wahl auf Personen abfragen lasse.

Standard: Ist es nicht schwierig, immer so mediatorisch ausgleichend zu sein?

Fischer: Im Gegenteil. Ich finde, das ist eine wunderbare Aufgabe. Wer soll denn ausgleichend sein, wenn nicht der Bundespräsident. Außerdem hängt das auch von den Fragen ab. Es gibt konkretere Fragen zu konkreten Themen.

Standard: Die Bundesregierung überlegt derzeit, die Erstellung des Budgets auf nächstes Jahr zu verschieben. Findet das Ihre Zustimmung?

Fischer: Wenn ich zunächst juristisch antworten darf: Im Artikel 51 der Bundesverfassung steht, dass die Bundesregierung dem Nationalrat zehn Wochen vor Ablauf des Jahres den Entwurf für das Finanzgesetz vorzulegen hat. Das ist eine Ordnungsvorschrift ohne zwingende Sanktionen, die seit 1945 vielleicht fünf mal nicht eingehalten wurde oder eingehalten werden könnte. Daran waren entweder Nationalratswahlen schuld oder es waren die Meinungsverschiedenheiten so groß, dass man sich nicht zeitgerecht auf einen Budgetentwurf einigen konnte.

Standard: Das ist jetzt nicht der Fall.

Fischer: Jetzt heißt es, die Wirtschaftslage erfordert Konsultationen und Berechnungen, die bis zu diesem Zeitpunkt im Herbst voraussichtlich nicht abgeschlossen werden können. Das ist ein Problem im Spannungsfeld zwischen Regierung und Parlament, und es gibt noch genügend Zeit, das zu besprechen.

Standard: Auf welcher Seite stehen Sie? Auf Seiten des Parlaments oder der Regierung?

Fischer: Ich stehe auf Seiten der Verfassung. Ich lege Wert darauf, dass die Bestimmungen der Verfassung Grundlage des Handelns bleiben.

Standard: Im Zuge der Budgetkonsolidierung wird unter der Hand schon über Steuererhöhungen diskutiert. Hätten Sie Verständnis für neue Massensteuern?

Fischer: "Unter der Hand" bin ich bereit, das zu diskutieren, aber nicht in diesem Interview. Dass wir Verteilungsgerechtigkeit als politisches Ziel haben müssen und dass ich das persönlich als etwas sehr Wichtiges erachte, das steht fest.

Standard: In den USA hat Präsident Obama eine Diskussion über eine Steuer für Großbanken angestoßen, auch bei uns wird das vereinzelt schon diskutiert. Konkrete Frage: Sollte bei einer Budgetkonsolidierung die breite Masse zur Kasse gebeten werden oder kann man von den Banken erwarten, dass sie hier einen Beitrag leisten?

Fischer: Wissen Sie, Kreisky hat gesagt, es gibt keine indiskreten Fragen, nur indiskrete Antworten. Die Fragestellung in Form des entweder oder wird der Komplexität des Problems nicht gerecht. Die Budgeterstellung wird ein politisches Kunstwerk mit einer entsprechenden sozialen Komponente sein müssen.

Standard: Hätten Sie lieber einen ruhigen Wahlkampf ohne Gegenkandidat? Oder würden Sie es begrüßen, wenn ein Gegenkandidat ein bisschen Spannung hineinbringt?

Fischer: Für mich steht fest, dass es einen oder mehrere Gegenkandidaten geben wird, und das ist gut so. Mein oberstes Ziel ist ein fairer, kurzer und sparsamer Wahlkampf. Ein ruhiger Wahlkampf ist kein Wert an sich.

Standard: Sie haben Ihre Kandidatur im Internet bekannt gegeben. Wie schaut es mit Ihrer privaten Internetnutzung aus?

Fischer: Ich habe das für eine gute Idee gehalten, weil ich glaube, das ist ein Medium, das man nutzen soll. In meinen privaten abendlichen oder sonntäglichen Stunden nehme ich eher ein Buch zur Hand, denn als Internet-Freak würde ich mich nicht bezeichnen.

Standard: Chatten, twittern, sind das Techniken, die Sie beherrschen?

Fischer: Nein, ich twittere nicht, aber ich freue mich auf den nächsten Standard-Chat. (Saskia Jungnikl und Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.2.2010)