Aufmerksam verfolgt man in Bregenz die Aussagen der Generaldirektorin. Was der ORF macht, ist grundsätzlich öffentlich-rechtlich, sagte Monika Lindner im Jänner. Also zählt das Landesstudio Vorarlberg zu seinen "Marketingaktionen mit starkem öffentlich-rechtlichem Bezug" nicht nur "Prima Klima in der Firma", sondern auch "Mit Radio Vorarlberg auf den schönsten Wanderwegen".

Die 183 Nationalratsabgeordneten bekommen dieser Tage den originellerweise ebenfalls 183 Seiten starken "ORF-Jahresbericht 2002". Nicht nur die Zuordnungen aus Bregenz machen ihre Lektüre kurzweiliger.

"Lebenshilfe" mit Wissenschaft und Bildung

Wissenschaft und Bildung kombiniert der ORF zum Beispiel in dem Bericht mit "Lebenshilfe" zu einer Programmkategorie. Zu Lebenshilfe zählen naturgemäß etwa "Modern Times Gesundheit", "help-tv" und "Volksanwalt". Etwas überraschender schon die Promotion-Orgie "Frisch gekocht ist halb gewonnen" und gar "Liebesg'schichten und Heiratssachen" von Elizabeth T. Spira. Lebenshilfe trägt fast 1200 Stunden zu den 1539 der Kategorie Wissenschaft/Bildung/Lebenshilfe im Vorjahr bei. Etwas weniger als 2001.

Gewinnspiel ist Info

Wer Weinpfarrer und Gewinnspiele in "Willkommen Österreich" auch in der Abteilung Lebenshilfe ansiedelt, irrt. Die zu Werbezwecken dreigeteilte Vorabendschiene steuerte 2002 all ihre 747 Stunden zur ORF-Information bei. Die kam mit 2442 Stunden Nachrichten auf 4148 Stunden, ein Hauch mehr als 2001. "Willkommen" zählt der ORF wie "Report", "Weltjournal", "Eco", "Offen gesagt" zur Untergruppe "Current Affairs, Politik, Magazine und Diskussion". "Breit angelegt" nennt der Bericht die Sendung.

Mit Fußball-WM und Olympischen Winterspielen steigerte sich der Sport von 985 auf 1256 Stunden.

Genres Theater und E-Film fast halbiert

Stabil blieben die 1009 Programmstunden der TV-Kultur. Fast halbiert haben sich hier die Genres Theater und E-Film. Was steht dahinter? Als Beispiele für die 48 Stunden Theater nennt der Bericht etwa "Othello darf nicht platzen" aus den Wiener Kammerspielen, "Barometermacher auf der Zauberinsel" von den Sommerspielen in Gutenstein, "Eine gute Partie", "Der keusche Lebemann" und diverse "Spitzenkabarettprogramme".

So manches Beispiel für "qualitativ hochwertige E-Filme" lässt das Feuilleton die Stirne runzeln: "Les Misérables", "Andreas Hofer - Die Freiheit des Adlers" oder auch "Komm, süßer Tod".

Was Wunder also, dass der ORF "2002 jeden Tag zumindest eine anspruchsvolle Sendung" im Hauptabend hatte, wie das Gesetz vorschreibt.

Größte Gruppe im ORF-Programm ist die Unterhaltung mit 7697 Stunden. Zu den 87 mehr als 2001 haben vor allem Quiz und Show beigetragen.

"25" zählt übrigens nicht zur Information. Trotz dieses neuen Boulevardmagazins sendete der ORF im Genre "Familie" mit 2313 um 179 Stunden weniger. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2003)