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Übervolle Hörsäle und Studierende die am Boden sitzen - das soll es auf der Publizistik nicht mehr geben.

Foto: APA/Schlager

17.000 Deutsche haben sich aktuell für ein Studium an österreichischen Unis entschieden. 2001 waren es erst knapp über 5.000. Für die heimischen Unis stellt der Zuwachs eine massive Belastung dar, so Wissenschaftsminister Johannes Hahn bei einem Pressegespräch. "Kein System der Welt kann so einen Anstieg spontan verkraften", so Hahn.

Unis ziehen Notbremse

Das sehen auch die Unis so - und ziehen die Notbremse. Als erste Studienrichtung machen die Kommunikationswissenschaften Gebrauch von einer Regelung, die in Paragraph 124b des Unigesetzes festgeschrieben ist. Sie beantragen beim Ministerium Auswahlverfahren, begründet mit "unvertretbaren Studienbedingungen". Der "Notfallparagraf" Paragraph 124b sieht vor, dass im Falle von "unvertretbaren Studienbedingungen" für Studien, für die in Deutschland der Numerus Clausus gilt, wieder Zugangsbeschränkungen eingeführt werden können. Außerdem kann eine Studierendenhöchstzahl festgelegt werden, die allerdings den Durchschnitt der vergangenen drei Jahre nicht unterschreiten darf.

Um in den Genuss des Ausnahmerechts zu kommen, müssen alle Unis, die das betreffende Fach anbieten, gemeinsam einen Antrag an das Wissenschaftsministerium stellen. Im Fall der Kommunikationswissenschaften sind das die Universitäten Wien, Salzburg und Klagenfurt. Schließlich muss noch die Bundesregierung dem Antrag zustimmen. Das könnte recht schnell gehen, "wenn sich die Unis beeilen", so Hahn. Er rechnet damit, dass die Zulassungsbeschränkungen bereits im Sommersemester 2010 in Kraft treten könnten.

Deutsche Numerus Clausus-Fächer als Maßstab

Andere Fächer könnten folgen, potenzielle Anwärter gibt es viele. Der Kreis der möglichen Antragsteller ist an die deutschen Numerus Clausus-Fächer geknüpft. Das sind bundesweit in Deutschland Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin. Dazu kommen aber auch all jene Fächer, die zumindest in einem deutschen Bundesland oder an einer einzelnen Uni mit einem Numerus Clausus versehen sind - etwa Kommunikationswissenschaften, BWL, Politikwissenschaft oder Rechtswissenschaften.

Hahn fordert die Unis explizit auf, von ihrem Antragsrecht Gebrauch zu machen, auch der Koalitionspartner habe bereits Zustimmung signalisiert. Vom Rektorenvorschlag, mit Ausgleichzahlungen auf den Ansturm zu reagieren, hält Hahn nichts. "Ausgleichszahlungen konterkarieren unsere Mobilitätsbemühungen", meint er. 

"Drei-Stufen-Plan für eine faire Uni"

Darüber hinaus habe Deutschland klar signalisiert, dass es dafür nicht zu haben sei. "Wieso auch, die Deutschen haben kein Interesse an weiteren StudentInnen in gewissen Fächern, warum sollten sie für sie bezahlen". Außerdem, so Hahn, sei ein Großteil des Problems kein bilaterales zwischen Österreich und Deutschland, sondern ein "innerösterreichisches".
Die Lösung liegt für den Wissenschaftsminister in einem "Drei-Stufen-Plan für eine faire Uni", den er starten möchte. Die Bestandteile des Plans: Zulassungsbeschränkungen im oben erwähnten Sinn, massive Beratung von Jugendlichen vor der Studienwahl und Studienbeiträge, die von einer Ausweitung des Stipendiensystems begleitet werden sollen.

Auch wenn die SPÖ ihr striktes Nein zu einer Wiedereinführung der Studienbeiträge unmissverständlich kommuniziert hat, will Hahn nicht aufgeben. "Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass wir sie sehr schnell wieder einführen können. Aber ich bin selbstbewusst genug, von der SPÖ eine Diskussion darüber zu fordern". So hofft Hahn auf eine Wiedereinführung in der nächsten Legislaturperiode.

Die ÖH reagiert auf die neuen Vorschläge ungehalten. "Hahn hat immer noch nicht gelernt, dass ein Anstieg der Studierendenzahlen wünschenswert ist", sagt Thomas Wallerberger vom Vorsitzteam. Die genannten Maßnahmen würden sich lediglich gegen die Studierenden richten, es seien jedoch in diesem Fall einfach mehr finanzielle Mittel vom Ministerium bereitzustellen. Den Ausbau des Stipendienwesens und der Studienberatung sieht die ÖH als positiven Schritt.

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl kann der Wiedereinführung von Aufnahmeverfahren nichts abgewinnen: "Das kann nur eine Notlösung sein." Neben einer Ausdehnung der Finanzen für die Universitäten fordert sie von Minister Hahn unverzügliche Verhandlungen mit Deutschland über Ausgleichszahlungen. Außerdem solle die Problematik beim nächsten EU-Bildungsministerrat angesprochen werden und eine europäische Lösung dafür gefunden werden. (Anita Zielina, derStandard.at, 15.10.2009)