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Einen Tag und eine Nacht beschäftigte der Obersteirer die Polizei - gegen vier Uhr früh nahm ihn die Cobra fest.

APA/Markus Leodolter

Leoben - Womit beschäftigt man sich, wenn man die Sondereinheit Cobra 20 Stunden lang zum Narren hält? Man bügelt seine Wäsche. Das machte zumindest jener 55-jährige Obersteirer, der am Dienstag in Leoben vor Gericht stand. Die Anklage: Nötigung der Bundesregierung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und gefährliche Drohung. Der Hintergrund: Aus Wut über die Behörden hatte der offenbar psychisch kranke Mann Drohbriefe geschrieben und im Februar schließlich gedroht, sein Haus in St. Marein im Mürztal in die Luft zu sprengen und eine - nicht vorhandene - Geisel zu töten.

Am Beginn der Geschichte steht laut Staatsanwältin Nicole Dexer, dass der Angeklagte im Jahr 2002 zur Zahlung einer offenen Stromrechnung verurteilt worden ist. Von da an bombardierte er Personen aus lokaler und nationaler Justiz und Politik, aber auch Amnesty International und Kardinal Schönborn mit Briefen. Er ortete wegen weiterer Verurteilungen eine massive Verschwörung gegen sich.

Aus Sicht der Anklägerin hatte er die "Geiselnahme" schon länger geplant. In einem Brief vom September 2008 kündigte er demnach die Tat bereits an, was der Verteidiger allerdings nicht so sah: "Wenn man das Schreiben liest, kann man es eigentlich nicht ernst nehmen", meinte er.

Im Nachhinein betrachtet hat er da wohl recht, wie sich überhaupt die ganze Tat ein halbes Jahr später als eher amüsant darstellt. Etwa wenn der Angeklagte dem Vorsitzenden Peter Wilhelm die Frage beantwortet, wie er den Polizeiverhandlern so lange vorspielen konnte, eine Geisel zu haben. "Die wollten immer mit ihr sprechen, ich hab einmal gesagt, sie hat gerade eine Haferflockensuppe gegessen, ein anderes Mal, sie weint so viel oder sie schläft", erzählte er.

Auch Kommunikationsprobleme schilderte der 55-Jährige. In der Nacht habe er seine Schwester angerufen: "Sie sollte Ingrid Thurnher und Bachler anrufen. Ich hab den Ex-Chef von der Cobra gemeint, aber sie hat gedacht, ich meine den alten Bacher vom ORF". Der Anruf blieb folgenlos.

Seniorenheim evakuiert

Für Anrainer und Polizeibeamte war die kalte Nacht vom 18. auf den 19. Februar weniger lustig. Der Mann hatte schließlich zunächst damit gedroht, sein Haus in die Luft zu sprengen, ein gegenüberliegendes Seniorenheim musste daher ebenso evakuiert werden wie die angrenzenden Einfamilienhäuser. Kurz darauf sprach er davon, eine deutsche Tramperin als Geisel genommen zu haben.

Gegen vier Uhr früh stürmte die Cobra schließlich erfolgreich das Haus und stellte fest, dass es keine Geisel gibt. Allerdings hatte der Mann Flaschen mit Benzin gefüllt, die er entzünden hätte können. Selbst nach der Verhaftung hielt der 55-Jährige die Exekutive auf Trab: Er floh zu Pfingsten aus der geschlossenen Abteilung der steirischen Landesnervenklinik und lebte elf Wochen lang in einem Wald nördlich von Graz in einem selbstgebauten Unterstand.

Um Schuld oder Strafe geht es in diesem Prozess aber für die Anklagebehörde nicht. Da der psychiatrische Gutachter eine paranoide Wahnvorstellung diagnostiziert hat und den Obersteirer für gefährlich hält, sollte er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden, appellierte sie an die Geschworenen.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. (APA, red, DER STANDARD Printausgabe, 07.10.2009)