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Reishändler in Hyesan, Provinz Yanggan. Das Bild entstand 2003.

Foto: epa/Kcna

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Das Bild der offiziellen Nachrichtenagentur KCNA, ebenfalls 2003 aufgenommen, zeigt den Markt in der Pjöngjanger Thongi-Straße.

Foto: epa/Kcna

Eine neue Studie belegt, dass Nordkoreas Regierung mit allen Mitteln marktwirtschftliche Reformen rückgängig zu machen versucht. Märkte, die nach der Hungerkatastrophe in den 90er Jahren aufsperrten, unterliegen strengen Kontrollen, die staatlich organisierte Lebensmittelversorgung liefert mittlerweile wieder einem Großteil der Bevölkerung ihre tägliche Ration. Nordkorea-Experte Andrei Lankov, der seit Jahren über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes forscht, erklärt im Gespräch mit Berthold Eder die Ergebnisse seiner Recherchen.

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Die Hungersnöte der späten 90er Jahre lösten in Nordkorea privatwirtschaftliche Initiativen aus. Da der Staat nicht im Stande war, die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, besorgten sich viele ihre Nahrungsmittel auf dem Schwarzmarkt. 2002 wurden Lebensmittelmärkte zugelassen.

Seit damals sind in vielen nordkoreanischen Städten Markthallen aus dem Boden geschossen. Dort findet man mittlerweile nicht nur Lebensmittel, sondern auch in Kleinwerkstätten hergestellte Gebrauchsgüter sowie Gastronomiebetriebe, Bars und Videokinos. Die Hallen sind auf Satellitenbildern deutlich zu erkennen.


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Auf der linken Seite ist der Lebensmittelmarkt Pyongsong bei Pjöngjang zu sehen.

Die aufblühende Marktwirtschaft hat Konsequenzen: Weil es auf offiziellem Weg unmöglich ist, Lastwagen für den Transport der Ware zu organisieren, werden Beamte, die Zugang zu Kraftfahrzeugen haben, bestochen, und das Kapital für Investitionen kommt von illegalen Geldverleihern, die 30 Prozent Zinsen verlangen.

Nordkorea-Experte Andrei Lankov, der an der Kookmin-Universität in Seoul lehrt, spricht von "Grassroots Capitalism", der seit kurz nach der Jahrtausendwende zu beobachten ist. Gleichzeitig besserte sich das Verhältnis zu den Nachbarländern China und Südkorea, der Warenverkehr über die Grenzen nahm zu: Viele Beobachter sahen das Ende des kommunistischen Systems nahen.

Regime macht Reformen rückgängig

Doch seit sich die Versorgungslage durch Hilfslieferungen und gute Ernten verbessert hat, versucht die Regierung, die Reformen rückgängig zu machen.  Das zentralisierte Lebensmittelverteilungs-System  wurde wieder in Betrieb genommen und versorgt laut einer südkoreanischen Studie aus dem Mai 2008 mittlerweile wieder 60 Prozent der Bevölkerung mit der vorgesehenen Ration von 540 Gramm Reis-Mais-Gerstenmischung. "Jetzt, nachdem wir eine gute Ernte und große Reisvorräte haben - ist es da noch nötig, Reis auf dem Markt zu verkaufen?" zitiert Lankovs aktuelle Studie einen nordkoreanischen Beamten.

2007 wurden den Händlern Höchstpreise vorgeschrieben, die weit unter den weit unter den Marktpreisen lagen. Dann wurde Frauen unter 50 untersagt, Handel zu treiben. Bei den darauffolgenden Protesten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Händlerinnen und Polizei (derStandard.at berichtete). Eine Anordnung, dass ab 3. Jänner 2009 die Märkte nur am ersten, elften und 21. Tag jedes Monats aufsperren dürfen, wurde im letzten Moment zurückgenommen.

"Säugetiere gegen Dinosaurier"

Lankov erklärt im derStandard.at-Gespräch, warum in Nordkorea im Gegensatz zu anderen kommunistischen Staaten keine Veränderung zu erwarten ist: "Es ist nur China und Vietnam gelungen, sich auf ein kapitalistisches Wirtschaftssystem umzustellen und gleichzeitig die kommunistische Herrschaft beizubehalten. Die Reformen wurden in diesen Staaten systematisch durchgeführt, als die Regierungen einsahen, dass der Kommunismus nicht funktioniert. In Nordkorea ist das anders: Reformen finden gegen den Willen des Regimes statt. Obwohl auf den Märkten in großem Stil Handel getrieben wird, sind diese Aktivitäten großteils illegal.

Die Leute kaufen und verkaufen Waren, aber die kapitalistische Infrastruktur ist nicht vorhanden: Es gibt keine Banken, kein Transportsystem etc. Die Händler leben in ständiger Angst vor Verhaftung und müssen hohe Schmiergelder zahlen, um ihre Geschäfte betreiben zu können". Lankov zieht einen Vergleich mit der Entwicklung der Lebewesen: "Säugetiere – also die Untergrundkapitalisten – passen sich besser an und sind effizienter, aber sie können nicht allzu groß werden, solange die politischen Dinosaurier herumlaufen".

Lankov, der an einer Seouler Universität lehrt, reist jedes Jahr in den Norden. Allerdings ist es bei diesen offiziellen Besuchen schwer, Forschung über die wirtschaftliche Entwicklung zu betreiben: „Die Behörden versuchen mit allen Mitteln, die Existenz privatwirtschaftlicher Ansätze zu verschweigen“, sagt er zu derStandard.at, "ausländische Besucher werden sorgfältig bewacht und immer von Aufpassern begleitet." Aufschlussreichere Angaben erhält er von den zahlreichen Flüchtlingen in Südkorea und China: "Das Gesprächsklima ist viel entspannter dort", sagt Lankov, "und es ergibt sich aus diesen Kontakten ein völlig anderes Bild als das des stalinistischen Monolithen, das die nordkoreanischen Behörden Ausländern vermitteln wollen."  (derStandard.at, 20.7.2009)