Weiblicher Lehrling: Gleiche Arbeit für Mann und Frau...

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...aber nicht gleiche Löhne, wie Statistiken beweisen.

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Wien – Es war ein Mann, der's erfunden hat. Einer aus der Wirtschaft – und ein Konservativer noch dazu. Vor nunmehr sieben Jahren zwang der norwegische Minister Ansgar Gabrielsen per Gesetz die börsennotierten Unternehmen in seinem Land, mindestens 40 Prozent Frauen in ihre Aufsichtsräte aufzunehmen. Die Sanktionen sind drakonisch: Wer sich taub stellt, kann zusperren. Spätestens seit damals gilt Norwegen als "Frauenwunderland" (Der Spiegel), das punkto Gleichberechtigung einen konsequenten Weg weist: Zwang statt Zureden.

Denn dass letztere Strategie nicht erfolgreich war, beweist gerade in Österreich die Statistik (siehe Wissen unten). Frauen müssen sich mit niedrigeren Gehältern und schlechteren Jobs abfinden. Trotz aller politischen Lippenbekenntnissen vergangener Jahrzehnte. Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) orientiert sich am skandinavischen Beispiel. Sie will nicht nur eine Quote wie in Norwegen, sondern gleich ans Eingemachte gehen: Unternehmen mit mindestens 25 MitarbeiterInnen sollen anonyme Gehaltslisten veröffentlichen. Stellt sich heraus, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger kassieren, will Heinisch-Hosek den Arbeitgebern empfindliche Geldstrafen aufbrummen.

Schweden als Role-Model

Als Vorbild dient der Ministerin Schweden, das 1998 einen Antidiskriminierungs-Akt verabschiedet hat. Dieser verpflichtet Betriebe ab 25 Bediensteten, objektive Kriterien zu definieren, nach denen gleichwertige Arbeit bemessen wird: Dazu zählen Ausbildung, Verantwortungsausmaß, Arbeitsbedingungen und körperliche Belastung. Die Ergebnisse werden alle drei Jahre vom "Schwedischen Ombudsmann für gleiche Chancen" evaluiert und veröffentlicht. Unternehmen, die ihren Arbeitnehmerinnen Dumpinglöhne zahlen, riskieren Strafen. Allerdings: Das schwedische Verdienstgefälle zwischen Frau und Mann ist mit 18 Prozent zwar niedriger als in Österreich (was keine Kunst ist), im EU-Schnitt liegt der skandinavische Staat trotzt angedrohter Pönalen aber nur im Mittelfeld.

Und ist das System überhaupt praktikabel und gerecht? "Wie soll garantiert werden, dass nicht Äpfel und Birnen verglichen werden?", fragt Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung, stellvertretend für viele KritikerInnen. Ein Haupteinwand: Dass Frauen weniger verdienen, weil sie eben Frauen sind, stimme für den Durchschnitt, aber nicht für jeden Einzelfall. Um Diskriminierungsopfer zu identifizieren, müssten die Behörden schon die Karrieren der einzelnen MitarbeiterInnen – von der Qualifikation bis zum Arbeitseinsatz – im Detail studieren; eine Arbeit, die bei Prozessen vor Gericht eine Schar an Fachleuten beschäftigt.

Für "extrem aufwändig" halten ExpertInnen wie Christine Zulehner vom Wirtschaftsforschungsinstitut das angedachte System. Die Unternehmensberaterin Gundi Wentner von Deloitte Österreich kann diese Einwände nur begrenzt teilen. "Selbstverständlich" sei es möglich, die Einkommen von Männer und Frauen zu vergleichen, meint sie. Vor allem große Unternehmen hätten längst standardisierte Entlohnungssysteme eingerichtet, anhand derer jede/r ablesen könnte, wie viel ihr/m zustehe – theoretisch. Denn während Verdienstlisten in Schweden sogar in Lokalzeitungen abgedruckt werden, "veröffentlichen österreichische Unternehmen ihr Gehaltsschema oft nicht einmal intern", sagt Wentner, die sich folgendes Modell vorstellen kann: Für jeden Firmenbereich werden die Durchschnittslöhne der Männer und Frauen errechnet. Dann wird verglichen. Schwieriger sei die Umsetzung bei den Klein- und Mittelbetrieben, der Masse der heimischen Wirtschaft.

Aber allein die Androhung von Strafen könne viel bewirken, meint Wentner, die sich daran erinnert, wie der Staat vor 15 Jahren geschlechtsneutrale Stellenanzeigen vorschrieb: "Ich bin mir sicher, dass damals kaum gestraft wurde, trotzdem hat's funktioniert. Von selbst ändert sich eben nichts."

Geheimnistuerei in Österreich

Auch Guido Strunk, Psychologe an der Wiener Wirtschafts-Uni, kann sich Methoden vorstellen, Heinisch-Hoseks Idee umzusetzen. Die Behörden könnten Stichproben oder standardisierte Befragungen durchführen: "Die Unternehmen müssten sich dann rechtfertigen, warum es einen Gender-Pay-Gap gibt. Mal sehen, ob ihnen was Gutes einfällt." Letztlich hält es der Forscher, der mit seinen KollegInnen in einer präzisen Studie nachgewiesen hat, dass es für Einkommensunterschiede oft keinen anderen Grund als das Geschlecht gibt, aber für "nicht so wichtig", ob tatsächlich saftige Pönalen kassiert werden. Wenn Firmen die Löhne im Haus veröffentlichen müssen, würde das allein für so viel Unruhe sorgen, dass Arbeitgeber um des lieben Friedens willen unter Zugzwang kämen – selbst bei einem anonymen Gehaltsstrip. "Am schönsten", äußert der gebürtige Deutsche einen fürs geheimnistuerische Österreich geradezu ketzerischen Gedanken, "wäre es aber natürlich mit Namen." (Alexander Dworzak und Gerald John/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.6. 2009)