inFamous (SuckerPunch/Sony) erscheint am 29. Mai für PlayStation 3.

 

Screenshots aus dem Spiel:

Foto: SuckerPunch
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Wie ein Kugelblitz ist eine Bombe im Herzen Empire Citys eingeschlagen und hat die Bevölkerung mit einer mysteriösen Seuche angesteckt. Im Epizentrum zerfiel alles zu Schutt und Asche.

Fast alles, denn wie jeder Superheld, entspringt auch "Cole MacGrath" aus der Katastrophe. Gezeichnet von der Explosion, entdeckt er merkwürdige neue Fähigkeiten an sich: Sein Körper ist nun offenbar in der Lage Elektrizität zu speichern und wieder zu entladen.

"Kein Cape und keine Unterhose an der Außenseite"

"Wir wollten einen unscheinbaren Helden", beschreibt Bruce Oberg, Mitbegründer der verantwortlichen Spieleschmiede SuckerPunch, den Protagonisten und fügt an, "wir wollten kein Cape und keine übergezogene Unterhose".

Als Cole, der am ehesten in die Kategorie "Niko Belic" (GTA IV) einzuordnen ist, gilt es die Ursache für diese Schreckenstat zu klären und die Terroristen zu stellen. Mit an seiner Seite scheint Anfangs sogar das FBI in Form der Agentin "Moya" zu stehen, doch natürlich kommt es anders, als man denkt...

Menschlicher Akku

Zunächst jedoch lotet man zusammen mit Kumpane "Zeke", der auf einem Hausdach wohnt, und Freundin/Krankenschwester "Trish" die frisch erworbenen Fertigkeiten aus. "Wir haben lange überlegt, welche Superkraft sich am besten eignen würde", blickt Oberg zurück. Die "urbane Szenerie" drängte schließlich auf die Abhängigkeit der Menschheit von elektrischer Energie anzuspielen.

Jede Klimaanlage, jeder Strommast, jedes Auto - an jeder Ecke findet man eine Quelle, um seiner Kräfte aufzuladen. Zielgenaue Blitzeschüsse, Menschen und Objekte aufwirbelnde Elektroschockwellen, vernichtende Energiegranaten und 14 weitere Fähigkeiten saugen am inneren Akku.

Die Stadt, das Raubtier

Und jede der Künste ist von Nöten. Empire City, inspiriert vom amerikanischen Way of Life und asiatischer Agoraphobie, ist eine lebende, verseuchte Metropole im Ausnahmezustand. Menschen wirren umher, fahren ihre verbeulten Autos durch die verwüsteten Gassen. Die Schnellbahn rast ungebremst durch menschenleere Stationen.

Die Behörden haben die drei kontaminierten Inselbezirke abgeschottet und die Bewohner ihrem Schicksal überlassen. Kriminelle Banden beherrschen die verwahrlosten Viertel. Furchteinflößende Gestalten, "Reaper" und "Dustman" genannt, haben die Stadt zu ihrer Spielwiese erklärt.

Kampf in der Freiheit

Cole kann ob seiner Kräfte jedes Haus erklimmen, über Stromkabel balancieren und von Baum zu Baum springen. "Sie brauchen rund 15 Minuten, um von einem Ende zum anderen zu gelangen", verspricht Oberg. Ein Grund dafür: Cole kann sich nicht einfach hinters Steuer eines Fahrzeuges klemmen. So bewegt sich der "Klettermaxe", wie ein altbekannter "Assassine", per pedes fort. Später erlernt man dann über Kabel und Stahlseile zu gleiten und durch selbst erzeugte Kraftfelder durch die Lüfte zu schweben.

Aus jeder Ecke kriechen Schurken hervor und beschießen Cole treffsicher mit Maschinengewehren und Panzerfäusten. Auf den Dächern spähen Wachen nach dem Feind. Friede kehrt erst dann ein, wenn man Viertel für Viertel die Banden vertrieben hat. Riesige Müllmonster, Blechspinnentiere und mächtigere Endgegner halten auf Trab und bedrohen Zivilisten.

Gut oder Böse

Dabei ist einem die Gunst des Volkes nicht garantiert. Neben der Aufklärung des Plots, muss man sich entscheiden, ob man den Menschen hilft und damit ihre Bewunderung erlangt oder sie einschüchtert und ihnen über Angst Respekt einflößt. Einem wahren Helden jubeln die Bürger zu und fotografieren ihn, einen Schurken beschimpfen und verfluchen sie.

Beides hat sein Für und Wider. Alles, was man tut, wirkt sich nachhaltig auf das Geschehen aus. Sporadisch in die Story eingebunden, wird man vor so genannte "Karma-Momente" gestellt. Beispielsweise steht man vor der Wahl, einen Bürgeraufstand zu unterstützen oder eine Auseinandersetzung zwischen den Protestlern und der Polizei anzuzetteln, um sich unbemerkt an einer Straßensperre vorbeizuschleichen. So pocht ein immerwährender Kampf zwischen Nächstenliebe und Egoismus.

Rollenspiel

Kranke Menschen auf der Straße können defibriliert und geheilt oder als Ladestationen missbraucht und damit getötet werden. Verletzte Bösewichte lassen sich fesseln oder über den Jordan schicken. Je nach Entscheidung wandelt sich der Spielverlauf und die persönliche Entwicklung. Von den 17 Superkräften und den jeweiligen Ausbaustufen sind einige nur den Helden bzw. nur den Schurken vorbehalten.

"Wir haben herausgefunden, dass 87 Prozent der Spieler sich für den guten Weg entscheiden. Deshalb haben wir versucht, Anreize einzubauen, die die Leute auf die dunkle Seite locken", so Oberg. Der Faustregel nach sind die guten Angriffsmanöver- und Blitze blau gefärbt und präziser, die bösen Waffen strahlen rot und richten mehr - etwas spektakulärer - (Kollateral-)Schaden an.

Umfangreich aber abgesteckt

An den Grundfesten der Story ändert die Wahl der Seite allerdings nicht. das Kredo lautet eher: Der Weg ist das Ziel. Gut 20 Stunden verbringt man mit der Lösung der Geschichte, doppelt so lange, wenn man bei einem zweiten Antritt die andere Seite erkunden möchte. Der Haupthandlungsstrang wird fließend im Spiel erzählt. Die Dialoge zwischen den Charakteren spannen das Netz aus Verschwörung und Intrige, das konsequent in persönliche Leidensgeschichten verstrickt, aber auch den Blick für das große Ganze nicht verdeckt. Für die einzigen Spielpausen sorgen kurze Comic-Sequenzen, die das glücklicher Weise selten kitschige Drama auf die Spitze treiben.

Zwischendurch beweist man sich als Bürgerwehr, um Gangster in die Schranken zu verweisen, zerstört Teerpumpen, die das Trinkwasser verschmutzen oder klärt Morde an seinen Mitmenschen auf. Trotz drei abwechlungsreicher Stadtviertel, unzähliger Nebenmissionen und reichlich Kampfeinsätzen, ist die Spielwelt im Vergleich zu Open-World-Games wie GTA etwas stärker begrenzt worden. Innenräume gibt es nicht zu betreten und das Spiel ist streng an Coles Superheldendasein gebunden. Taxifahren, Hotdogs essen oder Billard spielen - damit hält sich Cole nicht auf.

Verspielte Welt

Die verdreckten Gassen und Slums von Empire City, die Hochhäuser und die Kanalisation wurden sichtlich mit viel Liebe umgesetzt. Coles Animationen erinnern an die Akribie der "Uncharted"-Entwickler, wobei jede Bewegung nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch intuitiv von der Hand geht. Explosionen, Gefechte - die Action pompös umgesetzt. Schwach animiert sind hingegen die Gesichter der Charaktere sowie ihre Gesten.

Diese wirken stockend, wie die zum Englischen vergleichsweise hohle deutsche Sprachausgabe. Darüber hinweg trösten die einschüchternden Bässe und Hintergrundgeräusche. Das Straßenleben wurde authentisch eingefangen.

Was ganz besonders an inFamous auffällt, ist das Spiel in einem Guss. Die Mechanik ist intuitiv, das Vorankommen frei bestimmbar, keine Ladezeiten unterbrechen die Unterhaltung und das automatische Speichern sorgt dafür, dass tatsächlich nur selten Frustmomente aufkommen.

Fazit

InFamous schafft es daher trotz seiner Limitierungen und ganz ohne Mehrspielermodus an der Stange zu halten. Eine ganz so quirlige Welt wie in GTA darf man sich zwar nicht erwarten, doch die Weltuntergangs-Kulisse wurde glaubwürdig in die spannende Geschichte eingebunden.

Heraus sticht der moralische Konflikt zwischen Gut und Böse. Die harten Entscheidungen verführen dazu, beide Seiten zur Gänze erkunden zu wollen. Eine Zwickmühle, die dazu verleitet, den Controller länger als geplant in der Hand zu behalten. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 24.5.2009)