Wien - Zur Ankündigung von Wissenschaftsminister Johannes Hahn, dass Österreich aus der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) aussteigen wird, kamen am Freitag weitere Reaktionen: Herbert Pietschmann, ehemals österreichischer Delegierter im CERN-Aufsichtsrat und früherer Direktor des Instituts für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, spricht in einem Brief an Hahn von einem "historischen Irrtum". Er vermute, dass der Minister über die Konsequenzen "nicht ausreichend informiert" wurde, da er, Pietschmann, und andere "einschlägig ausgewiesene österreichische Fachleute" erst aus den Nachrichten vom CERN-Austritt erfahren hätten. Er warnte, dass Österreich als Land, "das so gewichtige Zeichen des Desinteresses an einem der grundlegendsten Forschungsbereiche der Physik setzt", auch in anderen Bereichen der physikalische Grundlagenforschung "an Gewicht verliert".

Pietschmann äußerte außerdem die Befürchtung, dass Österreich durch seinen Austritt aus finanziellen Gründen "die Hemmschwelle für andere Länder gesenkt" habe. Als Folge könne das CERN-Programm so weit geschädigt werden, dass wesentliche Entdeckungen "in die ferne Zukunft verschoben werden oder gar ausbleiben." Der Physiker appellierte an Hahn, den Austritt nicht zu vollziehen und "den Schaden, der schon durch Ihre Ankündigung entstanden ist, möglichst zu beschränken."

Studenten fürchten um Praktika

Rügen kommen ebenso von Physik-Studenten der Universität Wien und der Technischen Universität Wien. Es handle sich um einen "groben Einschnitt in die österreichische Forschungslandschaft", der Praktika österreichischer Studenten an dieser Einrichtung gefährde. Auch Diplomarbeiten und Dissertationsstellen hingen nun "in der Luft", warnte die Vorsitzende der Studienvertretung Physik an der Uni Wien, Carina Karner, in einer Aussendung.

"Kurzsichtige Wissenschaftspolitik"

Am CERN-Projekt seien viele hochkarätige österreichische Wissenschafter und Lehrende beteiligt. Daher würden auch die heimischen Universitäten, besonders die Studierenden, enorm profitieren. Durch den Ausstieg gehe die Möglichkeit, an diesem internationalen Projekt mitzuwirken, verloren. Karner wirft Hahn vor, kurzsichtige Wissenschaftspolitik zu betreiben. "Wie soll Österreich jemals wieder einen Nobelpreis bekommen, wenn hochkarätige Wissenschaft mit Füßen getreten wird?"

"Die budgetäre Prioritätensetzung in Österreich läuft in eine komplett falsche Richtung", kritisierte Bianka Ullmann, Vorsitzende der Studienvertretung Physik an der TU Wien. Während für Banken 100 Milliarden Euro ohne Probleme locker gemacht werden könnten, seien 20 Millionen für ein wissenschaftliches Großprojekt zu viel verlangt. (APA)