Seoul/Yokohama - Deutschlands Teamchef Rudi Völler rührt
vor dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Brasiliens
Angriffszauberer den Abwehr-Beton an und der Kapitän gibt den Kurs
vor: "Wenn wir die Brasilianer schlagen wollen, muss jeder Spieler
das Spiel seines Lebens machen", verkündete Oliver Kahn. Völler
blickte fast ein wenig neidisch auf die paradiesischen Möglichkeiten
seines Kontrahenten Luiz Felipe Scolari: "Die Brasilianer können ja
praktisch einen zweiten 23-Mann-Kader hierhin schicken, wenn man
sieht, wen die alles zu Hause gelassen haben, allein aus der
Bundesliga."
Die Frage aller Fragen
Dazu quälte auch das Problem, wie der gesperrten Michael Ballack
adäquat ersetzt werden kann. "Noch haben wir ja drei Tage Zeit",
spielte Völler öffentlich die Frage aller Fragen herunter. Doch
Assistent Michael Skibbe verriet: "Wir müssen uns insbesondere
Gedanken über die Position von Ballack machen." "Was seine Qualitäten
als Spieler anbelangt, ist es schwierig ihn zu ersetzen", gab auch
Völler zu. Die erste Option ist Jens Jeremies, weil eine ebenfalls
denkbare Verschiebung von Torsten Frings von der rechten Seite auf
seine Lieblingsposition in der Zentrale zu viele Veränderungen nach
sich ziehen würde.
Tugenden
Im Finale kommt es auch zum Duell der besten
WM-Defensive (1 Gegentor) gegen den besten WM-Sturm (16 Tore.
"Wir dürfen uns nicht auskontern lassen, das ist den
Engländern passiert, deswegen hat auch die Türkei verloren", strich
Skibbe die Haupterkenntnis aus seiner Beobachtung des 1:0-Sieges der
Brasilianer gegen die Türken heraus.
Disziplin und Ordnung
Trotz der anhaltenden internationalen Kritik stehen die deutschen
Spieler nach dem Sprung ins Finale weiter uneingeschränkt zu ihrer
rein erfolgsorientierten Spielweise. "Wir gehen als die Mannschaft in
die Geschichte ein, die alles aus ihren Möglichkeiten gemacht hat",
hob Dietmar Hamann positiv hervor. Vor allem die drei großen "R" des
Favoriten, Ronaldo (6 Tore), Rivaldo (5) und den nach seiner Sperre
wieder spielberechtigten Ronaldinho (2), will man nicht zaubern
lassen. "Auf keinen Fall dürfen wir den offenen Schlagabtausch
suchen, sonst ist man zweiter Sieger", mahnte Hamann Disziplin und
Ordnung an.
Scolari: "Kalt und kalkulierend"
Brasilien-Coach, Luiz Felipe Scolari, hat vor dem
WM-Finale gegen Deutschland das Team von Rudi Völler als ernst
zu nehmenden Gegner bezeichnet.
"Deutschland ist eine traditionelle Mannschaft, kalt und
kalkulierend, eine Mannschaft, vor der wir sehr viel Respekt
haben", sagte Scolari am Donnerstag. Vor allem bei Eck- und
Freistößen seien die deutschen Spieler sehr schwer zu decken.
Deutschland habe wie Brasilien Schwierigkeiten gehabt, sich für
die WM in Japan und Südkorea zu qualifizieren. "Als die Gefahr,
sich nicht zu qualifizieren, jedoch vorüber war, lief alles gut.
Deshalb glaubte ich auch daran, dass Deutschland einer der
Titelfavoriten ist." Deutschland hatte sich erst in der
Relegation gegen die Ukraine einen Platz für das Turnier in
Asien erkämpft.
In der 72-jährigen Geschichte der WM treffen Brasilien und
der dreifache Titelgewinner Deutschland zum ersten Mal
aufeinander. Das Endspiel wird am Sonntag um 13.00 Uhr MESZ im
japanischen Yokohama angepfiffen.
(APA/dpa)
Finale:
Deutschland - Brasilien (Yokohama, Sonntag, 13.00 Uhr MESZ/live
ORF 1, SR Pierluigi Collina/Italien)Deutschland: 1 Kahn (Bayern München/51 Länderspiele) - 22 Frings
(Werder Bremen/14), 2 Linke (Bayern München/40), 5 Ramelow (Bayer
Leverkusen/29), 21 Metzelder (Borussia Dortmund/11) - 19 Schneider
(Bayer Leverkusen/15), 8 Hamann (FC Liverpool/45), 16 Jeremies
(Bayern München/39), 17 Bode (Werder Bremen/39) - 7 Neuville (Bayer
Leverkusen/35), 11 Klose (1. FC Kaiserslautern/18)
Brasilien: 1 Marcos (Palmeiras Sao Paulo/22) - 2 Cafu (AS
Roma/110), 3 Lucio (Bayer Leverkusen/22), 5 Edmilson (Olympique
Lyon/18), 4 Roque Junior (AC Milan/23) - 15 Kleberson (Atletico
Paranaense/10), 8 Gilberto Silva (Atletico Mineiro/13), 6 Roberto
Carlos (Real Madrid/90) - 10 Rivaldo (FC Barcelona/65) - 11
Ronaldinho (Paris St. Germain/29), 9 Ronaldo (Inter Mailand/63)