Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler beim Pisa-Bildungstest eine nationale Schulreform gefordert und damit die Zuständigkeit der Länder für die Bildungspolitik grundsätzlich in Frage gestellt. Schröder schrieb in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit", notwendig seien nationale Bildungsstandards, die für alle Schüler verbindlich seien und im einem nationalen Rahmengesetz festgeschrieben werden müssten. Den Ländern warf er Versagen in der Bildungpolitik vor. Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) lehnte eine Stärkung der Bundeskompetenzen kategorisch ab: "Wer die Bildungspolitik zentralisiert, trägt den Föderalismus zu Grabe." Langjährig SPD-regierte Länder seien schuld, dass Deutschlands bei der Pisa-Studie einen hinteren Platz belege. Kulturministerkonferenz "ineffektiv" Schröder ließ erkennen, dass er die Kultusministerkonferenz für ein ineffektives Organ zur Koordinieung der Bildungspolitik der Länder hält. Die KMK habe "sich ihr Zeugnis abgeholt: Ihre Gesamtleistungen sind schlecht, Versetzung ausgeschlossen." Was von den Ländern als föderaler Wettbewerb gepriesen werde, erweise sich im Licht der innerdeutschen Pisa-Ergebnisse "als Länderegoismus auf dem Rücken der Schüler", kritisierte der Kanzler. Im internationalen Pisa-Bildungstest schnitten deutsche Schüler in allen Bereichen unter dem Durchschnitt ab. Im innerdeutschen Vergleich belegte Bayern in fast allen Wertungen den Spitzenplatz, gefolgt von den CDU-regierten Ländern Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen. Gleiche Bildungs- und Lebenschancen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hatte am Dienstag angekündigt, nationale Bildungstests an Schulen auch gegen den Widerstand der Bundesländer durchzusetzen. Schröder schrieb in der "Zeit", es gehe zuallererst darum, ob überall in Deutschland die gleichen Bildungschancen und damit auch Lebenschancen garantiert seien. "Wir müssen die deutsche Schule retten und nicht die Kultusminister", schrieb Schröder. Bereits am Dienstag hatten sich Vertreter der Länder gegen eine Einmischung des Bundes gewehrt. Als zentralen Punkt einer nationalen Schulreform nannte Schröder die Festlegung nationaler Bildungsstandards, "die für alle Schüler in Deutschland verbindlich sind". Als nächstens müssten deutschlandweit Mindeststandards für eine solide Grundausbildung festgelegt werden. Weiter forderte Schröder ein nationales Curriculum für die Kernbereiche der Schulbildung. Die Leistungen im Bildungsbereich sollten durch einen regelmäßigen "Bildungs-TÜV" überprüft werden. Stoiber weist Vorwürfe zurück Stoiber und die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) wiesen die Vorschläge der Regierung als abwegig zurück. "Solcher Zentralismus schadet den Schulen", kritisierten sie bei der Vorstellung des Bildungskonzeptes der Union. Stoiber versicherte, er werde als Bundeskanzler an der Zuständigkeit der Länder bei der Bildungspolitik nicht rütteln. Schavan, die in Stoibers Kompetenzteam für Bildungspolitik zuständig ist, forderte die Einführung zentraler Abschlussprüfungen in allen Bundesländern. Beide Unionspolitiker sagten, die Pisa-Studie offenbare in erster Linie ein Versagen SPD-regierter Länder in der Bildungspolitik: "Die Studie zeigt ein dramatisches Nord-Süd-Leistungsgefälle." Der Leiter der Pisa-Studie, Jürgen Baumert, sagte dagegen der "Zeit, die Studie gebe keinem Bundesland Anlass zum Triumph. Auch Bayern und Baden-Württemberg seien von der internationalen Spitze noch weit entfernt. Unterstützung für Schulen intensivieren Wirtschaftsverbände unterstützten die Forderung Schröders nach einheitlichen Bildungsstandards. Dafür sei ein Schulrahmengesetz notwendig, erklärte Handwerkspräsident Dieter Philipp. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt betonte: "Wir brauchen dringend klare und verbindliche Qualitätsstandards für die Schulen in ganz Deutschland." Nach einer Studie des Ifo-Institutes im Auftrag der "Wirtschaftswoche" wollen die Hälfte der deutschen Unternehmen ihre betriebliche Weiterbildung ausbauen. Zudem wollten die Unternehmen ihre finanzielle, materielle und personelle Unterstützung für Schulen und Hochschulen intensivieren, berichtete das Magazin vorab. 16 Prozent der Unternehmen fühlten sich durch Schuldefizite in ihrer Arbeit sehr beeinträchtigt. (Reuters)