Grafik: DerStandard
In der Postgewerkschaft ist der Wurm drinnen. Seit Jahren. Das Wort Streik kennen die gewerbsmäßigen Arbeitnehmervertreter praktisch nur vom Wegschauen (und vor allem -hören), gedroht haben sie damit allerdings immer wieder. Robert Wurm, der oberste Postbus-Betriebsrat, machte, was die mächtige Eisenbahnergewerkschaft nie in die Tat umsetzte: Alle Räder stehen still. Als der Postbus von der gelben Post abgetrennt und in die Staatsholding ÖIAG verfrachtet wurde, dämmerte es dem 45-Jährigen, der seit 30 Jahren bei Österreichs größter Linien- busgesellschaft werkt, dass es ernst wird: Die Privatisierung macht auch vor dem maroden Postbus nicht Halt - im Raum stand der Verkauf. Angesichts der weit reichenden Regierungspläne - dreißig Prozent der 1600 Busse umfassenden gelben Flotte sollen an die private Konkurrenz verkauft werden - ist die von den Postlern dreißig Jahre lang bekämpfte Zusammenlegung mit dem Busdienst der ÖBB für Wurm jetzt nur noch ein "Klax": "Wir haben nichts gegen einen Verkauf an die ÖBB, aber wir müssen verhindern, dass die Regierung den Postbus ruiniert und das Eigentum der Republik verschleudert." "Kleiner Scharfmacher Dass viele seiner Chauffeure auf unrentablen Linien mit halb leeren Bussen herumkurven, stört ihn dabei nicht. Mit dem öffentlichen Nahverkehr könne niemand Geld verdienen, auch nicht die wesentlich billiger fahrenden Privatfirmen, davon ist Wurm überzeugt. Dass 70 Prozent der rund 3000 Postbus-Bediensteten Beamtenstatus genießen, erschwert die Mobilisierungsarbeit des in der Gewerkschaft als Hitzkopf und - in Anspielung auf seine Körpergröße - "kleiner Scharfmacher" verschrienen Wurm vermutlich nicht. Denn diese können ohnehin nicht zur privaten Konkurrenz versetzt werden. Bei einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von 96 Prozent steht alles, wenn Wurm die Ampel auf Rot stellt. Ungleich schwieriger dürfte indes die Überzeugungsarbeit bei den Gewerkschaftsbossen gewesen sein. Nun kann er sich als Robin Hood feiern lassen, weil er aufs Ganze geht und für den Herbst einen unbefristeten Streik androht. Ohne Ellbogen und Hartnäckigkeit wäre Wurm vermutlich nicht weit gekommen: Als zweites von sechs Kindern, die ihren Vater, einen Siemens-Arbeiter, früh verloren, musste er bald die Ärmel hochkrempeln und mit Nebenjobs das Familienbudget entlasten. Seit 1989 hat sich der Vater zweier Kinder voll der Belegschaftsvertretung verschrieben, seit 2001 lenkt er den Postbusbetriebsrat im Alleingang. "Wenn es den Postbus nicht mehr gibt, mache ich mich selbstständig", sagt der gelernte Kfz-Mechaniker, der auf Busfahrer umsatteln musste, "denn zum Reparieren gibt es bei Autokrax'n immer was." (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe 26.6.2002)