Die niederländischen Rechtsliberalen, Christdemokraten und die Führung der neuen, populistischen "Liste Pim Fortuyn" haben sich nach 40-tägigen Verhandlungen auf ein Koalitionsabkommen geeinigt, das Anfang Juli dem Parlament vorgestellt werden soll. Namen von Ministern werden noch geheim gehalten, doch dass der Chef der Christdemokraten, Jan Peter Balkenende, neuer Premier wird, steht so gut wie fest. Nach den Details des Abkommens, die bisher an die Öffentlichkeit kamen, wird Ausländern aus Nicht-EU- Ländern - und ganz besonders islamischen Einwanderern - bald ein kalter Wind ins Gesicht wehen. Die drei Parteien wollen die bisherige liberale Einwanderungspraxis der Niederlande in ihr Gegenteil verkehren: Familienzusammenführung und Heiraten mit Partnern aus dem gleichen Kulturkreis wird in Zukunft wesentlich schwerer. Für illegale Einwanderer und abgelehnte Asylsuchende wird sogar eine besondere Abschiebepolizei eingerichtet. Sowohl die Christdemokraten, als auch die Rechtsliberalen standen der liberalen Einwanderungspolitik der letzten Jahre bisher kritisch gegenüber, während die "Liste Pim Fortuyn", des am 6. Mai ermordeten Rotterdamer Soziologieprofessors einen Großteil ihrer Popularität der Kampagne Fortuyns gegen den Islam und gegen weitere Einwanderung verdankt. Fortuyn hatte im Wahlkampf einen Stopp der Einwanderung aus islamischen Ländern verlangt. Seine politischen Erben sind ihrem Vorbild treu geblieben. So sollen legal in den Niederlanden lebende Ausländer ihre Kinder nur nachholen dürfen, wenn diese weniger als zwölf Jahre alt sind. Wer einen Partner aus seinem Herkunftsland heiraten will, muss künftig die Einbürgerungskosten in Höhe von 6000 Euro aufbringen, von denen die Hälfte nur erstattet wird, wenn dieser seinen Einbürgerungskurs erfolgreich absolviert hat. Asylanträge von Bewerbern können künftig abgelehnt werden, wenn diese nicht binnen drei Monaten nach Ankunft ihre Identität glaubhaft machen können. Die bisherige Integration von Einwanderern durch verpflichtende Sprachkurse und landeskundlichen Unterricht scheiterte oft an den mehrmonatigen Wartezeiten für die Betroffenen, von denen viele auch die Kurse einfach abbrachen. Mehr Geld für intensivere Einbürgerungskurse ist aber nicht vorgesehen. Die neue Koalition muss sparen: 3,25 Milliarden Euro. So soll vermieden werden, dass die Niederlande ein mit dem Stabilitätspakt der EU unvereinbares Haushaltsdefizit ausweisen müssen. Gespart werden soll auch in der Europapolitik: Die neue Regierung will in Sachen EU- Haushalt und Erweiterung härter auftreten und hat als erstes Mitgliedsland begonnen, die gemeinsame Agrarpolitik und die Strukturfonds der EU infrage zu stellen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2002)