Man habe die Reform monatelang vorbereitet, versicherte Minister Saeb Erekat, sie sei keine "Antwort auf die Bush-Rede", sondern "die Antwort auf die palästinensischen Bedürfnisse", aber es fiel natürlich auf, dass die Palästinenser plötzlich offiziell einen Fahrplan für Wahlen und einen Umbau der Autonomiebehörde auf den Tisch legten - keine 48 Stunden nachdem der US-Präsident knallhart eine neue, "nicht vom Terror kompromittierte" palästinensische Führung eingefordert hatte. Dass Erekat die Pressekonferenz ausgerechnet nach Jericho einberief, war kein Zufall, sondern ein weiteres Indiz für den Druck, unter dem die Palästinenser stehen, denn das verschlafene Städtchen ist jetzt das einzige Bevölkerungszentrum im Westjordanland, in dem keine israelischen Truppen stehen. Die Wahl des Präsidenten und des Parlaments solle an einem Tag zwischen dem 10. und dem 20. Jänner stattfinden, verkündete Erekat, das genaue Datum müsse noch mit dem Schulsystem koordiniert werden, denn die Lehrer würden die Wahlen abwickeln und die Schulen würden als Wahllokale dienen. Im März sollen dann die seit Jahren immer wieder aufgeschobenen Kommunalwahlen in 322 Gemeinden abgehalten werden, "für 300 von ihnen zum ersten Mal in der Geschichte". Schon am 15. Juli werde ein Grundgesetz beschlossen werden, zählte Erekat auf, die Reform des Innenministeriums samt Sicherheitsapparat werde in zwei Monaten fertig sein, ebenso jene des Finanzministeriums, die ein "vereinheitlichtes Rechnungswesen" schaffen soll. Ende September soll ein neues Justizsystem mit einer "unabhängigen Rechtsprechung" und "kompetenten Richtern" stehen, am 1. November soll das Budget 2003 dem Parlament vorgelegt werden. An die G-8-Staaten richtete Erekat die Bitte um Hilfe, denn man könne "mit Panzern in jeder Straße" keine Wahlen abhalten, und er garnierte seine Präsentation mit Spitzen gegen US-Präsident Bush: "Was Palästinenser und Israelis jetzt brauchen, ist Aktion, keine Vision." Laut Ari Fleischer, dem Sprecher des Weißen Hauses, hatten die Selbstmordanschläge der letzten Woche Bush bewogen, den Ton der Rede noch zu verschärfen. Der New York Times zufolge hatte Bush die Information, dass Arafat die Überweisung von 20.000 Dollar an die "Al-Aksa-Märtyrerbrigaden" bewilligt hatte. Dies habe den letzten Rest von Vertrauen zum Palästinenserchef zerstört. Die Al-Aksa-Brigaden hatten sich zu dem Anschlag vor einer Woche auf eine Bushaltestelle in Jerusalem mit sieben Toten bekannt. Die Gruppe steht der Fatah-Organisation von Arafat nahe. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2002)