Etat
Grazer Medien-Enquete: Gegen die Krise hilft nur Qualität
Heimische Medienmacher sehen Sparpotenziale ausgereizt
"Unserer Branche ist nicht nach Scherzen zumute. Der
Presse geht es so schlecht wie schon lange nicht". Mit dieser
Diagnose eröffnete Montagabend der Chefredakteur der "Süddeutschen
Zeitung", Gernot Sittner, eine zweitägige Medien-Enquete in Graz. Er
empfahl den Printmedien, trotzdem "nicht in Trübsinn und Kleinmut zu
verfallen, sondern sich auf die eigenen Stärken zu besinnen." Der
Tenor der heimischen Medienmacher ging in die gleiche Richtung: Gegen
die Krise hilft nur Qualität. Die Sparpotenziale werden als bereits
weitgehend ausgereizt eingestuft.
Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg
Sittner sagte, wirtschaftlich "erleben wir die größte Krise der
Printmedien seit dem Zweiten Weltkrieg". Der "Absturz hat die Blätter
jäh getroffen", 2001 seien die Werbegelder aller deutscher
Tageszeitungen um 14 Prozent zurück gegangen. "Der Anzeigenmarkt ist
dramatisch eingebrochen", so das Situationsbild des
"Süddeutsche"-Chefs. Die Zeitungen hätten bei stagnierenden bis
rückläufigen Auflagen mit der Verkleinerung von Redaktionen und der
Reduzierung von Umfängen versucht zu reagieren.
"Schneisen in den Wildwuchs von Informationen schlagen"
Als "Voraussetzung für eine sichere Existenz" bezeichnete Sittner
die vertiefende, ergänzende Qualitätsberichterstattung. Zeitungen
sollten sich "auf die eigenen Stärken besinnen, was wir den
konkurrierenden Medien voraus haben": So müsse etwa das Feuilleton
"Diskussionsforum werden, öffentliche Debatten anstoßen oder sich
daran beteiligen", Zeitungen müssten "Schneisen in den Wildwuchs von
Informationen schlagen. Je unübersichtlicher das Medienangebot, desto
dringender werden Zeitungen gebraucht", so Sittners Einschätzung. Das
sei auch die Chance für Journalisten: Je mehr Experten es gebe, desto
dringender würden Journalisten gebraucht, die zwischen ihnen und dem
Leserpublikum vermitteln. Die Zukunft des Journalisten sei die eines
"Wissensdesigners", die Ausbildung der Medienleute dafür ein
entscheidender Punkt.
Strukturänderungen
Seitens der heimischen Medienmacher sagte "Standard"-Chefredakteur
Gerfried Sperl, "die Verlage haben sich eine Defensivstrategie zu
Eigen gemacht". Aufgabe des Journalismus sei es, in dieser Situation
"innovativ zu sein, die Qualität beibehalten oder noch zu steigern".
"In einer Phase der Nivellierung ist es Aufgabe der Tageszeitungen,
Werte zu vermitteln." Seine Prognose: "Die Zeitungen werden sich von
der Struktur her ändern müssen", veränderte Lesegewohnheiten des
Publikums übernehmen, aber auch die Vertriebswege müssten anders
werden: "Die Druckmaschinen sind zu groß und zu teuer", Wege zu lang.
Michael Fleischhacker, stellvertretender "Presse"-Chefredakteur,
diagnostizierte, "das große Geschäft kommt nicht zurück". Die größten
Einbrüche habe es bei Stellenanzeigen und dem Immobilienmarkt
gegeben. Wie Sperl meinte auch Fleischhacker, "wir müssen besser
werden". Für die "Kleine Zeitung" sagte der Wiener Redaktionsleiter
Hans Winkler, "Qualität ist die Art, wie man mit Themen umgeht".
ORF-Informationsdirektor Gerhard Draxler berichtete aus der Sicht
eines elektronischen Mediums, dass "content-management" in Zukunft
mehr denn je wichtiger Faktor sein werde. (APA)