Der Versuch, sich in die Spekulationen um Koalitionen nach der nächsten Nationalratswahl einzuschalten, war ehrenwert, gelang aber dem aktiven Bundespräsidenten nicht optimal. Im vorgestrigen Kurier prahlte Thomas Klestil gleich zweimal damit, dass er nicht den geringsten Informationsvorsprung hat, was den Wahltermin betrifft ("Ich weiß nicht, wann die Nationalratswahl sein wird."). Und auf die Frage, ob der Grundsatz, den er schon einmal nicht durchzusetzen vermochte, einen Vertreter der stärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen, immer noch gelte, antwortete er derart sphingisch mit "Das wird man sehen", dass der Kurier keine Probleme hatte, das Rätsel ödipusmäßig in die Meldung aufzulösen: "Klestils Plan: Sondierungsgespräche, Kanzler nicht unbedingt an stärkste Partei."

Vielleicht war es ja nur die Hitze. Da gibt es in letzter Zeit aber auch immer diese forcierten Bemühungen, jeden Aperitif, den das Staatsoberhaupt mit seinem Trauzeugen und dem n. ö. Landeshauptmann schlürft, möglichst öffentlichkeitswirksam schon als Toast auf eine rot-schwarze Koalition auszugeben. Der Hauptzweck dieser Treffen dreier Architekten längst eingestürzter Altbauten besteht darin, der Wählerschaft das Leiden an der schwarz-blauen Koalition durch mediale Infusion narkotisierender, aus "politischem Gedankenaustausch" gewonnener Substanzlosigkeiten zu lindern. Auch die Nebenabsicht, Wolfgang Schüssel damit zu nerven, dürfte an der zwischen monolithisch und pathologisch changierenden Gelassenheit des Kanzlers ohne weiteres zuschanden werden.

Zwar ist unter der Bevölkerung ein gewisses Maß an Nostalgie nach der "großen" Koalition spürbar, diese speist sich aber aus der Abneigung gegen die Methoden der jetzigen Regierung, gewiss nicht aus der Verklärung der Leistungen ihrer Vorgängerin. Wiederbelebungsversuche schon vor der Wahl, noch dazu, wenn sie nicht von überzeugenden Argumenten begleitet sind, wirken wie eine Verschwörung von oben zur Bevormundung der Wähler, sind also kontraproduktiv.

Denn es gibt zwar viele Argumente gegen eine Fortsetzung des jetzigen Regimes, aber gute für eine rot-schwarze Koalition finden sich nicht einmal in der SPÖ. Ihr würde eine Exhumierung von Rot-Schwarz als Wahlziel nicht einen Wähler zusätzlich bringen, eher noch der Volkspartei Wähler zutreiben, die hoffen, sie durch ihre Stimme zur Vernunft zu bringen und den blauen Armen wieder zu entreißen.

Man muss die Dinge nicht komplizierter machen, als sie sind. Es gibt entweder eine Mehrheit für Rot-Grün oder eine Mehrheit für Schwarz-Blau. In diesem Fall würden Haider und Schüssel weiter regieren, und sei es auch nur mit einem Mandat Überhang - Bundespräsident hin, Häupl her. Außer in einem Fall: Die ÖVP ginge aus den Wahlen so geschwächt hervor, dass sie der FPÖ den Bundeskanzler überlassen müsste. Damit wäre aber Schüssels Konzept am Ende, und er selber auch. Nur: Das zeichnet sich nicht ab.

Auch inhaltlich ist Rot-Schwarz kaum vorstellbar. Wäre die ÖVP dann bereit, mit der SPÖ vieles von dem wieder rückgängig machen, was sie nun mit den Freiheitlichen angerichtet hat? Wenn aber nicht einmal das - wozu dann diese Koalition? Nur um wieder in einer Regierung sitzen zu dürfen? Das könnte der SPÖ nur schaden, und nur ihr. Das Angebot an den Wähler, an dem in der Hofburg ohne breiten Auftrag gefeilt wird, ist einfach nicht attraktiv. Vom sauren Regen der schwarz-blauen Koalition unter die löchrige Traufe einer rot-schwarzen - das kann es nicht sein. Und statt Palastintrigen zu spinnen, sollte man die Entscheidung dem Wähler überlassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.6.2002)