Welt
Der Salat als Schlafmittel bei den Griechen
Ausstellung "Ursprung und Verwandlung" von Nutzpflanzen in Wien
Wien - Vom Einkorn zum modernen Getreide, vom Lattich zum
Salat - und von der Rübe als Zierpflanze zum Mangold oder zur
Zuckerrübe: Einen veritablen Streifzug durch die
Mensch-Pflanzen-Beziehung kann man derzeit bei einer Arche
Noah-Ausstellung im Botanischen Garten der Universität Wien machen:
"Ursprung und Verwandlung", die Geschichte der Nutzpflanzen. "Uns geht es darum, im Zusammenhang mit der Diskussion um die
Biodiversität die Rolle des Menschen darzustellen. Die Vielfalt von
Pflanzensorten ist auch dadurch entstanden, dass sie der Mensch in
die Nutzung genommen hat. Und viele Nutzpflanzen können ohne den
Menschen gar nicht überleben", erzählte die Organisatorin der
Ausstellung, Beate Koller, am Freitag im Kalthaus des Botanischen
Gartens, während im Hintergrund Rüben geputzt und Pflanzen
aufgestellt wurden.
Mechanismen der Evolution
So zeigt die Schau im Grunde alle Mechanismen der Evolution und
deren Nutzung durch den Menschen. Prinzipiell lief das niemals anders
ab, als es auch in der Biotechnologie erfolgt - nur viel
kleinräumiger, diverser. Beate Koller: "Diese Pflanzensorten muss man
auch züchterisch betreuen. Tut man das nicht, gehen sie wieder
verloren." Auch die vom Menschen gezüchteten Sorten gehören zur
Biodiversität, die erhalten werden sollte.
Präsentiert werden viele Sorten - von wenigen Arten. Ein Beispiel
ist das Getreide: Am Anfang stand zwar das Einkorn, das schon in der
Jungsteinzeit genutzt wurde. Doch der Saatweizen ist wahrscheinlich
durch die "Kontamination" von Emmer-Kulturen mit dem Ziegenaugengras
im Zuge einer nicht beabsichtigten Kreuzung zwischen einem Kultur-
und einem Wildgras. Dass - wie von Bio-Produzenten oft behauptet -
der Dinkel das urtümlichste Kultur-Getreide ist, wird mittlerweile
bezweifelt. In Funden tauchte er erst rund ein Jahrtausend später als
der Saatweizen auf.
Die Organisatoren von "Ursprung und Verwandlung" haben in den
vergangenen Monaten im Arche Noah-Garten in Schiltern bei Langenlois
in Niederösterreich jede Menge Sorten gepflanzt und nun für die
Ausstellung nach Wien gebracht. - Ein Panoptikum der Kulturpflanzen
und ihrer Vorgänger.
Der Salat
Wie der Mensch zum Salat kam? Der stammt vom "Gstätten-Gewächs"
Lattich ab (Kompass-Lattich; Lactuca serriola). Dieser schmeckt
ausgesprochen bitter. Nur im Frühjahr, wenn er eine Rose bildet, ist
der genießbar. Wahrscheinlich aber wurden die Lattich-Samen zunächst
für Öl vom Menschen gebraucht. Erst dann kam er als Salat in
Gebrauch: im Alten Ägypten, in Mesopotamien.
Beate Koller: "Beim Salat gibt es noch eine relativ große
Sortenvielfalt." Das reicht vom Spargel-Lattich, der in Südostasien
eben wie Spargel zubereitet wird, bis zu unseren verschiedenen
Salaten - Eichen-, "Vogerl-", Kopfsalat etc. Da spielt auch das
dekorative Element eine Rolle. Uneinheitlich wurde von den Menschen
die Wirkung des Genusses von Salat beurteilt: Die alten Ägypter
schätzten ihn um 2.600 vor Christus als Aphrodisiakum.
Für die Griechen war der Salat hingegen ein Schlafmittel.
Aphrodites Liebhaber Adonis wurde vom eifersüchtigen Kriegsgott Ares
ausgerechnet in einem Lattichfeld getötet. - Sinnbild für die
Potenz-vernichtende Wirkung des Salatblattes. Der weiße Milchsaft von
Lattich enthält auch wirklich einen sedierenden Inhaltsstoff
(Lactucarium/"opium-lettuce").
Karottenentwicklung
Bei den Karotten wiederum gab es Vorfahren in Zentralasien. Die
ältesten Kulturkarotten waren aber wahrscheinlich violette, rote und
gelbe Sorten, die schließlich vom Menschen selektiert wurden.
Violette sind heute noch typisch für Syrien. Die in moderner Zeit am
weitesten verbreitete "Karotin-Karotte" (orange, Vitamin A) wurde
wahrscheinlich erst im 17. Jahrhundert in den Niederlanden
entwickelt. Dabei dürfte auch schon das enthaltene Vitamin A eine
Rolle gespielt haben.
Völlig divers lief die Entwicklung der Rüben ab. Da gab es
zunächst einmal die Wild-Rübe (Beta vulgaris ssp. maritima). Doch die
wurde mit zwei Zielen vom Menschen zur Kulturpflanze gemacht:
Einerseits konzentrierte er sich auf die Knollen und selektierte
Farben, Größen etc., andererseits wurde der Mangold ein beliebtes
Blattgemüse. Letzteres eignet sich durch die imposante farbige
Zeichnung auch sehr gut als Ziergewächs.
Auch auf dem Tisch mussten die Rüben dekorativ sein: In Chioggia
bei Venedig entstand die Lokalsorte "Di Chioggia" mit
rot-weiß-gebänderten Knollen. - Rein wirtschaftlichen Charakter hatte
da die Züchtung der Zuckerrübe. Sie war Konsequenz der
Kontinentalsperre zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dem von Napoleon
beherrschten Kontinentaleuropa wurde die Zuckerrohr-Versorgung
abgeschnitten. - Da mussten Rüben-Züchter her. (APA)