Sevilla – Frankreich steht zum Ziel, bis 2004 einen ausgeglichenen oder nahezu ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – aber unter Bedingungen. Die Wirtschafts- und Finanzminister der EU legten ihren Chefs am Freitag in Sevilla einen entsprechenden Kompromiss über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik für Frankreich vor. Der Pariser Vertreter Francis Mer machte den ausgeglichenen Haushalt allerdings von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von über drei Prozent abhängig.

Frankreichs Regierung rechnet nach eigenen Angaben heuer mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den letzten Wochen hatten Pariser Regierungsvertreter wiederholt angedeutet, sie wollten das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts bis 2007 verschieben – obwohl sie sich im Rahmen des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts auf das Jahr 2004 festgelegt hatten.

Beim Ecofin-Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister in Madrid erreichte Frankreich nun in der Nacht auf Freitag einen Kompromiss. Demnach bekennt sich Paris weiter zum Zieldatum 2004. Frankreich sagte auch zu, seine geplanten Steuersenkungen ohne Erhöhung der Neuverschuldung zu finanzieren. Ausgabenkürzungen werden angekündigt.

Bedingung

Zugleich formulierte Finanzminister Francis Mer aber in einer einseitigen Erklärung die Bedingung, wonach der ausgeglichene Haushalt nur zu erreichen sei, wenn das Wirtschaftswachstum die Drei-Prozent-Marke überschreitet. Sollte das Ziel von drei Prozent Wachstum nicht erreicht werden, müsse der Haushaltsausgleich verschoben werden, sagte Mer in einer Pressekonferenz.

Diese Quote liegt über den aktuellen Prognosen für Frankreich. So geht die EU-Kommission in ihrer AprilPrognose für 2003 von einem Wachstum in Höhe von 2,8 Prozent aus. Die französischen Wirtschaftsforschungsinstitute Bip und OFCE rechnen mit 2,5 Prozent. Allein das Institut COE hält 3,0 Prozent für möglich.

Der Kompromiss mit Frankreich entspricht genau der Sprachregelung, mit der Deutschland im Februar eine EU-Mahnung wegen seines eigenen Budgetdefizits abwendete. Im Unterschied zu Frankreich hatte der deutsche Finanzminister Hans Eichel allerdings nur 2,5 Prozent Wachstum zur Bedingung für den Haushaltsausgleich gemacht und die entsprechende einseitige Erklärung nicht schriftlich fixiert.

"Ehrgeiziger"

In Sevilla sagte Eichel am Rande des Rats der Staats- und Regierungschefs, Deutschland sei eben "ehrgeiziger". Dies hänge mit der Rolle des Landes bei der Formulierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 1997 zusammen. CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber konterte am Freitag in Berlin: Ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2004 sei unrealistisch.

Ausgesprochen realistisch zeigte sich Eichel freilich in anderer Hinsicht: Gefragt, ob Frankreichs neue Regierung die Wahlversprechen über Steuersenkungen werde einhalten könne, erinnerte der deutsche Finanzminister an den Fall Italiens. Auch dort habe die Regierung nach den Wahlen einige ihrer angekündigten Steuersenkungen nicht in die Tat umgesetzt, um nicht in Konflikt mit dem Stabilitätspakt zu kommen.

Auch Portugal, das ebenfalls mit der Drei-Prozent-Marke zu kämpfen hat, bekräftigte am Freitag das EU-Budgetziel für 2004.

Neue Eurogruppe

Eichel regte am Rande des Sevilla-Gipfels an, nach der EU-Erweiterung einen "Euro-Ecofin-Rat" zu gründen. Dieser würde anders als die bisherige Eurogruppe als beschlussfähiges Organ tagen. Eichel hält einen solchen Umbau für notwendig, da nach der Erweiterung im allgemeinen Ecofin-Rat viel mehr Nichteuroländer sitzen werden als die bisherigen drei. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 22.6.2002)