Feldkirch - Es sind die Bilder, die sich in unser Gedächtnis graben. Bilder von ameisenhaft übervölkerten Schiffen. Grünlich verschwommene Infrarotaufnahmen von Menschen, die durch Flüsse waten und grüppchenweise über Zäune klettern. Bilder, die Angst machen. Doch die Kameras fangen meist nur den Moment des Scheiterns einer Flucht ein. Die Vorgeschichten bleiben meist verborgen.Ein Projekt am Innsbrucker Institut für Erziehungswissenschaften thematisiert nun eben diese Vorgeschichten. Unterstützt von der Hilfsorganisation "Arge Schubhaft" besuchten die Studenten Flüchtlinge, die von der Abschiebung aus Österreich bedroht waren. Sie führten 16 Interviews in Flüchtlingsunterkünften und im Besucherraum des Innsbrucker Polizeigefangenenhauses. 16 Schicksale von den rund 16.000, die im vergangenen Jahr von Österreich abgeschoben wurden. Die Geschichte des jungen Herrn aus China z. B., der sich vor acht Jahren nach Europa durchwurstelte und in der Mailänder Textilindustrie unter Bedingungen der Leibeigenschaft den Lohn für die Fluchthelfer abarbeiten musste. Kaum hatte er es geschafft, kassierten ihn die Behörden. Oder das Mädchen aus Sierra Leone, das sich von einem Heiratsversprechen nach Spanien locken ließ, sich auf dem Strich wiederfand und nach neuerlicher Flucht als Illegale in Österreich landete. Diese 16 Interviews wurden nun in einem Buch zusammengefasst, das am Mittwoch in Feldkirch vorgestellt wurde. Eine Installation des Künstlers Franz Wassermann in der örtlichen Fußgängerzone bot die Kulisse. Aus einer aus Lkw-Planen gebauten Zeltstadt tönen die Stimmen eben jener 16 Interviewten, dazu Plakate: "Ich bin in Schubhaft, weil ich gefoltert und vergewaltigt wurde." Abends las Michael Köhlmeier aus dem Buch. (mh, DER STANDARD Printausgabe 21.6.2002)