Wien - Zwei Drittel der Flüchtlinge weltweit sind Frauen und Kinder. Dennoch würden "frauenspezifische Fluchtgründe wie sexuelle Gewalt, weibliche Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt, Geburtenkontrolle, Bedrohung aufgrund der Übertretung strikter kultureller oder religiöser Verhaltensnormen" in den meisten Ländern nicht als asylrelevant anerkannt, kritisiert die UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR in einer Presseinformation zum Internationalen Weltflüchtlingstag am Donnerstag. Obwohl in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Verfolgung aufgrund des Geschlechts nicht explizit erwähnt wird, ist die geschlechtsspezifische Verfolgung nach Auffassung des UNHCR vom Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention umfasst. Diese Auslegung werde in der Praxis allerdings nur selten befolgt, so die UNO-Flüchtlingsorganisation. Geschlechtsspezifische Verfolgung Das UNHCR hob positiv hervor, dass frauenspezifischen Fluchtgründen in der österreichischen Entscheidungspraxis nach und nach Rechnung getragen werde. So sei kürzlich einer Frau aus Kamerun aufgrund ihrer Furcht vor Genitalverstümmelung Asyl gewährt worden. Auch zahlreiche afghanische Frauen seien wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung durch die Taliban als Flüchtlinge anerkannt worden. Dennoch werde frauenspezifischen Fluchtgründen im österreichischen Asylverfahren und der Rechtsprechung "noch nicht genug" Rechnung getragen. Nicht nur die sogenannten frauenspezifische Fluchtursachen würden Frauen verstärkt zu Flüchtlingen machen, so das UNHCR. Die Methoden der gegenwärtigen Kriegsführung treffen die Zivilbevölkerung, das heißt Frauen, Kinder und alte Menschen in besonderem Maße. Zudem sei weltweit eine zunehmende "Feminisierung der Armut" zu beobachten, da Frauen vor allem noch immer vorrangig für die unentgeltliche Hausarbeit zuständig seien und am Arbeitsmarkt diskriminiert würden. Rahmenbedingungen der Asylverfahren Die Rahmenbedingungen der Asylverfahren würden nur selten den Bedürfnissen von Frauen entsprechen, hieß es weiter. Viele Asylwerberinnen würden unter "posttraumatischen Belastungserscheinungen" (PTSD), einer Folgeerscheinung erlittener Gewalterfahrungen, leiden. Trotzdem würden sie in vielen Fällen immer noch von Männern zu ihren Fluchtgründen befragt werden, zudem oft auch in Anwesenheit von Familienmitgliedern. Die Scheu, über Vergewaltigung, sexuelle Bedrohung oder Unterdrückung zu sprechen, sei unter diesen Umständen groß. Derartige Hemmungen würden sich negativ auf die Glaubwürdigkeit der Asylsuchenden auswirken. Ein "besonders schwieriger" Abschnitt im Leben jeder Flüchtlingsfrau sei die Zeit nach der Ankunft in Österreich bis zum positiven Ausgang des Asylverfahrens. Nur rund ein Drittel aller Asylwerberinnen befinde sich während dieser Zeit in Bundesbetreuung. In den Heimen sähen sich viele gezwungen, ein Zimmer mit mehreren Personen, "unter Umständen auch mit Männern", zu teilen. Jene Asylbewerberinnen, denen keine Bundesbetreuung zuteil werde, seien nicht versichert, erhielten nicht die geringste finanzielle Unterstützung und seien sogar von Obdachlosigkeit bedroht. Die Gefahr, unter derartiger existentieller Bedrohung in ausbeuterische Verhältnisse abzugleiten, sei erheblich, erklärt das UNHCR. Eine weitere Belastung während des Asylverfahrens stelle das faktische Arbeitsverbot dar. Asylwerberinnen würden schwer unter dem Fehlen einer sinnvollen Aufgabe und fixen Tagesstruktur leiden. Psychische Probleme der Betroffenen würden durch die Untätigkeit noch verstärkt. Hinzu kämen Belastungen durch gesellschaftliche Ablehnung und Diskriminierung. Von Medien und Politik werde die Isolation, in der Flüchtlinge ohnehin leben, durch die Verwendung negativ besetzter, anonymisierender Begriffe wie "Scheinasylant" oder "Asylantenflut" noch verstärkt. (APA)