Madrid - Der erste Generalstreik in Spanien seit acht Jahren hat am Donnerstag viele Betriebe lahm gelegt, aber nicht das gesamte Wirtschaftsleben zum Stillstand gebracht. Von dem Ausstand einen Tag vor dem EU-Gipfeltreffen in Sevilla waren vor allem die großen Fabriken und Autowerke betroffen. Dagegen waren viele Büros, Läden und Gaststätten geöffnet. Nach Angaben der Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT waren 84 Prozent der Beschäftigten dem Streikaufruf gefolgt. Demgegenüber bezifferte die Regierung die Beteiligung auf nur 16 Prozent und bezeichnete den Arbeitskampf als einen großen Fehlschlag. "Im Grunde gab es überhaupt keinen Generalstreik", sagte Regierungssprecher Pío Cabanillas. Es habe weitgehend Normalität geherrscht. Der 24-stündige Streik richtete sich gegen eine Reform der Arbeitslosengesetze, in der die Gewerkschaften einen Einschnitt ins soziale Netz sehen. In den Schlüsselsektoren der Wirtschaft wie in der Luftfahrt oder im Bahn- und Busverkehr wurden Notdienste geleistet. Dies bedeutete, dass etwa ein Viertel der normalerweise verkehrenden Busse oder U- Bahnen fuhren. Die Reiseunternehmen hatten ihre - für den Streiktag vorgesehenen - Urlauberflüge auf Mittwoch vorgezogen oder auf Freitag verlegt. Linienflüge abgesagt Ein großer Teil der Linienflüge war wegen des Streiks vorsorglich abgesagt worden. Die spanische Fluggesellschaft Iberia hatte 80 Prozent ihrer Flüge annulliert. Allein in Frankfurt am Main wurden 60 Flüge nach Spanien gestrichen. Mehrere Regierungschefs mussten ihre Anreise zum EU-Gipfel nach Sevilla verschieben. Ministerpräsident Jose María Aznar warf den Gewerkschaften vor, mit der Wahl des Streiktermins dem Ansehen Spaniens in Europa schaden zu wollen. Vor einer bestreikten Fabrik in Leganes bei Madrid erlag ein Polizist einen Herzinfarkt, als er gegen gewalttätige Streikende vorgehen wollte. Dutzende von Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen Streikposten und der Polizei in verschiedenen Teilen des Landes verletzt, über 40 Streikende wurden festgenommen. Die Stahlfabriken und die Montagewerke vieler Autohersteller mussten die Produktion einstellen. Das Volkswagenwerk bei Pamplona in Nordspanien entschloss sich zur Aussperrung der Beschäftigten. Viele Kaufhäuser und Großmärkte konnten nur unter Polizeischutz öffnen, weil Streikposten die Eingänge versperrt hatten. Nach Angaben von Experten drohten der spanischen Wirtschaft bei dem Streik Einbußen von 250 Millionen Euro. Der Ausstand war der fünfte Generalstreik in Spanien seit der Wiedereinführung der Demokratie vor 25 Jahren und der erste seit der Übernahme der Regierung durch Aznar im Jahr 1996. Die Gewerkschaftsverbände hatten 15 Millionen Beschäftigte zur Niederlegung der Arbeit aufgerufen. Für Sevilla hatten die Gewerkschaften zu einer Großkundgebung aufgerufen, wo auch Zehntausende von Bauern erwartet wurden. In dieser Branche sind besonders die Saisonarbeiter von den Reformplänen der konservativen Regierung betroffen. Die Arbeitslosenquote von 11,3 Prozent in Spanien ist die höchste in der EU. In Portugal kündigte der Gewerkschaftsbund CGTP für Donnerstag Proteste gegen das Sparprogramm der Regierung in 30 Städten an. In Griechenland streikten die Angestellten der Reedereien gegen Rentenkürzungen, sodass fast keine Fähren zu den Inseln ablegten. In Kroatien begannen die Grenzbeamten, die mehr Lohn fordern, mit der Arbeit nach Vorschrift und durchsuchten alle Autos. An der Grenze zu Slowenien bildeten lange Schlangen. (APA/Reuters)