Die ORF-Geschäftsführung präsentierte am Mittwoch dem Stiftungsrat den Fernseh-Jahressendeplan 2003. Wichtigster Inhalt: Mit einer Programmjustierung ab Oktober 2002 sollen zum einen mehr eigenproduzierte Programme für junge Zielgruppen in ORF 1 geboten werden und zum anderen das Haupt- und Spätabendprogramm von ORF 2 optimiert werden. Die Kunst-Stücke wird es ab September nicht mehr geben. Statt dessen kommt eine Innovationsplattform, die kritische, unkonventionelle, experimentelle Auseinandersetzung mit aktuellen und relevanten Themen bieten soll. die Standard.at- Redakteurin Pia Feichtenschlager traf Kunst-Stücke Moderatorin Andrea Schurian zum Gespräch über das Ende der Kultursendung. dieStandard.at: Sie haben seit Jänner 1998 die Kunst-Stücke moderiert. Ab September gehört dieses Sendeformat - wegen zu geringer Reichweite (0,5 Prozent) - der Vergangenheit an. Was heißt das für Sie? Andrea Schurian: Es ist natürlich seltsam, für eine Sendung zu arbeiten, die in einem dreimonatigem Sterbebett liegt. Da ich freie Mitarbeiterin bin bedeutet das auch einen Existenzkampf. Es ist für mich wirklich eine existentielle Frage, da ich meine Familie ernähren muss. Und ich finde es wirklich sehr schade, da wir uns sehr bemüht haben themenorientiert zu arbeiten. Themen, die sich sonst im Fernsehen nicht finden. Das ist zwar nicht immer gelungen, aber trotzdem glaube ich, dass wir sehr gute Abende gemacht haben. Ich glaube, dass die Marke Kunst-Stücke zuletzt zwar tatsächlich irgendwie ein bisschen sitzengeblieben ist, aber dass man sie durchaus mit sehr viel Energie und Erneuerungslust erneuern hätte können. Was fehlte, war die Klarheit darüber, ob wir nun ein Jugendprogramm sind oder eine Kunstsendung. Wobei ich zum Zweiten neige. dieStandard.at: Schließt Kultur Quote aus? Andrea Schurian: Ich glaube, dass die Kunst-Stücke tatsächlich ein Minderheitenprogramm sind, und man sich selbst in die Tasche lügen würde, das nicht so zu sehen. Da der ORF insgesamt an Marktanteilen verloren hat, ist es daher nicht verwunderlich, dass die Kunst-Stücke auch verloren haben. Man muss sich überlegen: Wie hätte ein Relaunch aussehen können? Wie würden die Kunst-Stücke weiter funktionieren? Man hätte sich vielleicht noch viel radikaler auf Kunst – in jeder Sparte: ob Film, Musik, Bildende Kunst, Architektur, Literatur, Experimentelles, Internet, Diskursives - stürzen sollen: es entspricht durchaus dem Konzept, das u.a. eine Arbeitsgruppe rund um Ulrich Seidl, Bady Minck, Elsa Prochaska, Virgil Widrich, Barbara Albert, Alexander Ivanceanu, Matthias Herman, Nikolaus Geyrhalter, Lisl Ponger und andere Kunstschaffende in Sorge um unsere Sendung entwickelt haben. Natürlich sind die Marktanteile bei der Jugend am höchsten: ich denke, wir waren ein Kunst-Programm mit eher jungen Themen. Aber vielleicht hat kurioserweise gerade das den Kunst-Stücken auch geschadet: dieses schielen nach "Sind wir jetzt ein Jugendsender?" und damit eine Unklarheit für sich selber zu haben, was wir jetzt sein wollen/sollen. dieStandard.at: Ist nicht der späte Sendetermin Mitgrund für die geringe Reichweite? Ein anspruchsvolles Programm, welches erst um 23:30 Uhr beginnt, impliziert ja ein geringes SeherInnenpotential? Andrea Schurian: Das glaube ich auch. Ich würde schon sagen, dass die Kunst-Stücke mit ihren unsicheren Beginnzeiten: frühestens um 23:30, meist um 23:45, sehr oft um 24 Uhr – seit einem Jahr beginnen wir zu höchst unterschiedlichen Zeiten – nicht sehr zugänglich sind. Wir beginnen, wenn "Treffpunkt Kultur" aufhört – wenn man das vergleichen will. Es ist um diese Uhrzeit mit einem anspruchsvollen Programm nicht viel mehr zu holen (Anm: 10 Prozent Marktanteil). Man muss sich die Kunst-Stücke erarbeiten, nicht nur inhaltlich, sondern auch wann was zu sehen ist. Ein Rückschluss auf die Unterschriftenliste (Anm: Petition gegen die Einstellung der Kunst-Stücke) die innerhalb einer Woche 12.000 Leute unterzeichnet haben, ist, dass viel mehr Leute als angenommen die Kunst-Stücke sehen. Ich glaube, dass viele Leute die Sendung aufzeichnen. Das merkt man auch an den Rückmeldungen, die wir bekommen. Z.B. hatte die Globalisierungs-Sendung angeblich eine sehr schlechte Quote. Wir hatten jedoch ganz tolle Rückmeldungen, also kann die Zuschauerzahl nicht so schlecht gewesen sein. Ich glaube auch nicht, dass früher die Quoten so viel besser waren. Damals war Fernsehen an sich langweiliger, da sind die Kunst-Stücke mehr aufgefallen. Aber es gab eben ein ganz klares Signal: "Das leisten wir uns." dieStandard.at: Woran lagen die unsicheren Beginnzeiten? Andrea Schurian: Das lag an der Programmplanung. Das lag außerhalb des Einflusses der Kunst-Stücke-Redaktion. Wir hatten das Konzept: Erste halbe Stunde Humor, zweite halbe Stunde Diskursives und Zeitgenössisches und die letzte halbe Stunde Dokumentation oder Film. Dadurch hätte man eine gewisse Programmsicherheit gehabt, die allerdings durch die ständig wechselnden Beginnzeiten nicht einzuhalten war. Ich denke diesen Reichweitenrückgang kann man ziemlich genau mit den verschobenen Beginnzeiten überprüfen. Zu einer Zeit wo wir sehr pünktlich begonnen haben, hatten wir sehr konstante Reichweiten. Natürlich gefährdet man eine Sendung durch späte Beginnzeiten. Und je mehr man herum geschoben hat, umso weniger haben natürlich zugesehen. dieStandard.at: Was den Kunst-Stücken zugute gehalten wird, ist vor allem die Förderung des österreichischen Filmschaffens. FilmemacherInnen fürchten, dass mit dem Wegfall der Kunst-Stücke unkonventionelle Filmproduktionen aus dem ORF verschwinden. Eine berechtigte Angst? Andrea Schurian: Ich denke ja. Ich verstehe ihre Angst. Die Kunst-Stücke haben immer ein gutes Gespür dafür gezeigt, welche Filme sie zeigen. Vor allem haben wir die Filme ja nicht einfach gezeigt, sondern auch Diskussionsrunden dazu gemacht. dieStandard.at: Muss mensch nicht von einem öffentlich-rechtlichen Sender einfordern, sich der Verantwortung gegenüber dem Kulturauftrag zu stellen? Andrea Schurian: Ich würde meinen ja. Eine Sendung in der Woche müsste eigentlich drinnen sein. Das ist auch der Tenor von dem, was uns viele Leute geschrieben haben. Wir sind ja kein teures Programm. Ich verstehe aber auch die Angst des ORF, dass ihm Seher abwandern. dieStandard.at: Kunst-Stücke geht. Was kommt? Andrea Schurian: Ich glaube, das weiß man noch nicht wirklich. Da wird noch ganz heftig daran gearbeitet, zumal ja die Jugendredaktion längst aufgelöst wurde und nun neu formiert werden muss. dieStandard.at: Wo sehen Sie Ihre Zukunft? Andrea Schurian: Ich bin offen. Aber das "Angebot" von Heide Tenner jetzt ist eigentlich nur: Beiträge als freie Mitarbeiterin für Treffpunkt Kultur. Das heißt aber nichts anderes als: zurück an den Start - nach 17 Jahren freie Mitarbeit in der ORF-Kultur, wo ich Dokumentationen, Künstlerporträts, Reportagen und aktuelle Berichte gemacht habe. Außerdem sind ja im Treffpunkt mittlerweile alle Positionen und Inhalte besetzt. Mal sehen, ich weiß noch nicht. Ich halte mich an den banalen Satz: Wenn etwas zu Ende geht, beginnt etwas Neues. Und so sehr ich auch für den Erhalt der Kunst-Stücke gekämpft habe und kämpfe – man hat halt vom Marktamt festgestellt, dass halt das Ablaufdatum überschritten wurde.