Dass George Bush seine überfällige Nahostrede verschoben hat, ist einleuchtend, aber zwiespältig: Ja, es ist schwer, sich im Angesicht von weiteren zwanzig Terroropfern nüchtern die politischen Vorstellungen des US-Präsidenten anzuhören. Andererseits wäre es fatal, wenn der Eindruck entstünde, dass der jüngste Anschlag, der dem Wissen über den Konflikt nichts hinzugefügt hat, am US-Konzept etwas geändert hätte - außer dass er dessen Urgenz weiter verstärkt.

Für einen Moment mögen manche befürchtet, manche gehofft haben, dass Israels Premier Ariel Sharon die Gelegenheit ergreift und dem Bush-Plan durch die Deportation von Palästinenserchef Yassir Arafat zuvorkommt. Ob es Vernunft war oder Respekt vor den US-Wünschen, dass die Option, die beim israelischen Sicherheitsrat auf dem Tisch lag, verworfen wurde: Jedenfalls hat sich die israelische Regierung stattdessen für eine ausgeweitete Wiederbesetzung der Palästinensergebiete entschieden. Das und die Tatsache, dass beim laufenden Zaunbau die grüne Grenze von 1967 an manchen Stellen angeblich gleich um ein paar Kilometer zu Israels Gunsten korrigiert wird, wird die Situation nicht beruhigen.

Über das Bush-Konzept kann man indes nur spekulieren. Es soll laut Washington Times die Schaffung eines provisorischen Palästinenserstaates enthalten, der laut al-Hayat auf etwa 40 Prozent des Palästinensergebietes beschränkt sein sollte (das ist das Gebiet, das Sharon in einer großzügigen Anwandlung - Achtung, Ironie - einmal für einen Palästinenserstaat genannt hat). Sonst weiß man von der Rede des US-Präsidenten nicht viel: Wird die Staatsgründung im Mittelpunkt stehen oder die Reformforderung an die Palästinenser, wird es einen Zeitplan für die Endstatus-Verhandlungen geben - und wird Arafat die Palästinenser in diesen Staat führen, wenn sie denn zu einem solchen Rumpfprovisorium überredet werden können? (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2002)