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Die Privatisierungswelle in Italien, die Berlusconi losgetreten hat, brandet nun auch gegen das Kolosseum.

Foto: APA/Capodanno
Rom - Das Kolosseum als Pfand für eine Anleihe, die Ausgrabungsstätten von Pompei in der Hand ausländischer Finanzgesellschaften, Küstenabschnitte gesperrt, weil an Private verkauft. Für die politische Opposition in Italien, die Umwelt-, Kultur- und Heimatpflegeverbände ist es ein unvorstellbarer Frevel, für die Regierung Berlusconi ein Geniestreich kreativer Wirtschaftspolitik. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, nie verlegen, wenn es um Tricks in der Verwaltung der öffentlichen Kassen geht, hat ein Dekret durchgeboxt, mit dem der gesamte Staatsbesitz an zwei Aktiengesellschaften übertragen wird. Ziel ist es, die unter der Berlusconi-Regierung auf ein Rekordhoch gestiegenen Staatsschulden abzutragen. Die beiden Aktiengesellschaften müssen laut Wirtschaftsministerium sowohl den Staatsbesitz verwalten, als auch das von Silvio Berlusconi versprochene Großbauprogramm umsetzen. Strände zum Verkauf Um die im Wahlkampf dauernd versprochenen Großbauten - trotz gähnend leerer Staatskassen - endlich beginnen zu können, werden die beiden Aktiengesellschaften ermächtigt, Kredite und Anleihen bei Banken und internationalen Finanzgesellschaften aufzunehmen, die mit Staatsgütern gesichert werden - venezianische Paläste für Autobahnteilstücke. Italia Nostra, Italiens größter Heimatpflegeverband befürchtet, dass jetzt Küsten, Seen, Kulturdenkmäler, Paläste oder archäologische Ausgrabungsstätten gewinnbringend veräußert oder verpfändet werden. Auch die Nationalparks, geschützte Küstenabschnitte oder Seen können jetzt verkauft werden. Staat ohne Besitz Italien werde der erste Staat ohne Staatsbesitz sein. Der Wirtschaftsminister hofft hingegen, einen Teil seiner Geldsorgen loszuwerden; auf 2000 Milliarden Euro schätzt Tremonti den Staatsbesitz. Namhafte Kulturtreibende protestieren, selbst Kulturstaatssekretär Vittorio Sgarbi - bisher schon im Streit mit seinem Minister wegen dessen Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen des Wirtschaftsministeriums - ist zurückgetreten. Italiens Heimat- und Umweltverbände haben einen Appell an Staatspräsident Ciampi gerichtet, er solle den Frevel einstellen, seit Sonntag liegt der Appell zur Unterschrift an historischen Plätzen Italiens zur Unterschrift auf. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, Printausgabe 19.6.2002)