CDU-Wahlparteitag in Frankfurt: Kohl erstmals seit Spendenskandal wieder als Redner - Auftritt von Zentralratspräsident Spiegel
Redaktion
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Frankfurt - CDU-Chefin Angela Merkel hat ihre Partei
im Kampf um die Regierungsübernahme vor "Übermut" gewarnt. Der
Wahlsieg sei noch nicht "in Sack und Tüten", sagte Merkel am Montag
auf dem Parteitag der Christdemokraten in Frankfurt am Main vor dem
Hintergrund guter Umfragewerte, aber das Ziel sei "in Sichtweite".
Merkel hob bei ihrer Rede am ersten Tag des zweitägigen
Delegiertentreffens besonders die Geschlossenheit zwischen CDU und
CSU hervor. Soviel Union wie heute habe es zuvor noch nicht gegeben.
Zum ersten Mal seit dem Spendenskandal 1999 trat Altkanzler Helmut
Kohl wieder auf einem CDU-Parteitag auf. Er bekräftigte seine
Bereitschaft, die Union im Wahlkampf zu unterstützen.
Merkel sprach, trotz ihrer Warnung, von Siegeszuversicht der CDU.
Von diesem Parteitag gehe das Signal aus: Die Union sei "kampfbereit"
im Wahlkampf, "handlungsbereit" für die Regierungsübernahme und
"verantwortungsbereit" für Deutschland, sagte die Parteichefin.
Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) sicherte sie zu, er werde
von der CDU "mit großer Geschlossenheit, mit voller
Einsatzbereitschaft und fester Überzeugung" getragen und gestützt.
Stoiber will sich am Dienstag an die CDU-Delegierten wenden.
Merkel räumte ein, dass die Wahlentscheidung vor vier Jahren "klar
und eindeutig" und auch "bitter" für die Union gewesen sei. Doch
längst sei offenkundig geworden, dass Rot-Grün seine Chance nicht
genutzt habe. Merkel präsentierte den Delegierten Kernpunkte des
Regierungsprogramms der Union, das am Dienstag verabschiedet werden
soll. Sie bekräftige dabei, dass alles nach der Wahl so gemacht
werde, wie es jetzt gesagt werde. Es gebe darüber hinaus keinen
"Giftschrank", sagte sie mit Blick auf Warnungen von Hessens
Ministerpräsident Roland Koch und CDU-Parteivize Christian Wulff,
nach der Wahl keine über das Wahlprogramm hinausgehende
"Grausamkeiten" vorzunehmen.
Die CDU will nach den Worten ihrer Vorsitzenden im Wahlkampf auch
die Debatte um die Zuwanderung nicht aussparen. "Natürlich" werde die
Zuwanderung Thema sein, betonte Merkel. Dies werde in
"verantwortlicher und klarer Weise" geschehen. Merkel bekräftigte
zudem, dass die Union vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werde,
wenn Bundespräsident Johannes Rau das Zuwanderungsgesetz
unterzeichnen sollte. Bei einem Wahlsieg wollen CDU und CSU das
Gesetz wieder ändern.
Der langjährige CDU-Vorsitzende Kohl wurde bei seinem Auftritt von
den Delegierten mit Beifall empfangen. Er bot der CDU an, wo er
mithelfen könne, mache er dies mit "besonderer Freude". Kohl rief
seine Partei auf, "gemeinsam um jede Stimme" zu kämpfen. Kohl sprach
auch zum Thema "17. Juni 1953 bis 17. Juni 2002 - vom
Arbeiteraufstand zur Europäischen Einigung". Der Altkanzler hob dabei
den Anteil der CDU/CSU an der deutschen Einheit und am
Einigungsprozess Europas hervor. Die Maueröffnung am 9. November 1989
und die deutsche Einheit am 3. Oktober 2000 zähle er zu den
"glücklichsten Tagen in der Geschichte unseres Volkes", sagte Kohl.
CDU und CSU hätten das "Gebot der Einheit" nie aufgegeben. Die Union
sei zudem die "Europapartei Deutschands". Kohl räumte ein, dass seit
der deutschen Vereinigung beim Aufbau in den neuen Bundesländern auch
Fehler gemacht worden seien. Doch an vielen Orten seien mittlerweile
"blühende Landschaften" geschaffen worden.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul
Spiegel, hat beim CDU-Parteitag Konsequenzen aus dem jüngsten
Antisemitismus-Streit gefordert. Zu den Auseinandersetzungen in der
FDP um deren Vize-Chef Jürgen Möllemann und dessen
Antisemitismus-Vorwürfe sagte Spiegel, es habe sich gezeigt, dass
"wahrhaft demokratische Politiker" um der Macht willen auf klare
Worte verzichteten. Es sei auch bestürzend, wenn in einem Wahljahr
dann andere Parteien vorsichtig seien in ihrer Ablehnung solcher
Aussagen. Diese Probleme beträfen das ganze Land.
Spiegel zeigte besorgt, dass sich in dieser Entwicklung "ein
möglicher Wandel" in Deutschland ankündige. Juden könnten nach dem
Holocaust nichts mehr als selbstverständlich hinnehmen. "Wir werden
nie mehr schweigen, wenn man uns beleidigt oder wenn man uns
angreift", unterstrich Spiegel. Kritik an Israel und dessen Regierung
sei "kein Sakrileg" und nicht antisemitisch. Wenn antisemitische
Klischees aber zur Grundlage einer solchen Kritik würden, sei
Widerstand angesagt, betonte der Zentralrats-Präsident.(APA/dpa)
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