Frankreich
Frankreichs Linke tritt nach Wahlschlappe in den "Widerstand"
Sämtliche Linksparteien planen "Neugründung"
Paris - Nachdem sich die im ersten Durchgang der
Parlamentswahlen angekündigte Schlappe der französischen Linken am
Sonntag in der zweiten Runde bestätigt hat, beginnt für die neuen
Oppositionsparteien eine Phase des "Widerstandes" und der internen
Erneuerung. Bezug nehmend auf den konservativen Sieg und die Rolle
der eigenen Partei in der neuen Nationalversammlung erklärte der
sozialistische Ex-Premier Laurent Fabius bereits am Wahlabend: "Die
Dominante ist blau, aber der Widerstand wird rosarot sein." Mit 140 Abgeordneten ist die Sozialistische Partei (PS) in der Tat
die mit Abstand vorherrschende politische Kraft im Oppositionslager.
Weit dahinter folgen die Kommunisten (PCF), die es gerade noch auf 21
Mandate brachten. Die Grünen haben mit drei Abgeordneten so gut wie
kein politisches Gewicht mehr. Die sozialistischen Abgeordneten
werden "wachsam und kämpferisch sein und immer dann, wenn es
notwendig ist, konstruktive Vorschläge einbringen", brachte
Sozialistenchef Francois Hollande seine Vorstellung von der
Oppositionsrolle auf den Punkt. Auch die PCF-Sekretärin Marie-George
Buffet bezeichnete die Abgeordneten ihrer Partei als eine "Kraft des
Widerstandes". Der Präsident der Radikalsozialisten (PRG), Michel
Baylet, betonte, dass seine Abgeordneten die Regierungsmethgode der
neuen Mehrheit "überwachen" werden.
Sanktionen durch die Wählerschaft
Der Versuch, eine Rolle im neuen parlamentarischen Panorama zu
finden, kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Frankreichs Wähler die seit fünf Jahren regierende "pluralistische
Linke" stark sanktioniert haben. In Bezug auf 1997 haben die
Linksparteien mehr als eine Million Stimmen verloren. Die Anzahl der
Abgeordneten sank von 319 auf 178. Unter den bekannten Verlierern
befinden sich Symbolfiguren der Regierung von Lionel Jospin (PS), so
etwa Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevenement (Pole Republicain), die
ehemalige Arbeits- und Sozialministerin Martine Aubry (PS) und die
ehemalige Grünen-Umweltministerin Dominique Voynet. Sein Mandat
verlor hat auch PCF-Chef Robert Hue.
Einig sind sich die Chefs der Oppositionsparteien in der Annahme,
dass eine Neugründung ihrer politischen Kräfte unerlässlich sei. Man
müsse "ohne Überstürzung, aber mit Beharrlichkeit" an den Bedingungen
eines erneuten Machtwechsels arbeiten, formulierte PS-Chef Hollande
seine politischen Ambitionen in der beginnenden Legislaturperiode. In
diese neue "Kraft der Linken" sollen in den Vorstellungen des
Sozialisten auch die Sozialpartner, die Vereinigungen und die
Bürgerinitiativen eingebunden werden. Als vorrangige Themen nannte
Ex-Sozialministerin Elisabeth Guigou (PS) "die Unsicherheit der
Arbeitsplätze, die Armut, die Kaufkraft der Lohnempfänger und die
Sicherheit".
Aufruf zur "kulturellen Revolution"
Ex-Bildungsminister Jack Lang (PS), der in der benachteiligten
nordfranzösischen Fischer- und Metallarbeiter-Stadt Boulogne-sur-Mer
(Pas-de-Calais) den Sieg davontrug, rief die Linke zu einer
"kulturellen Revolution" auf. Die Linke sei allzu häufig "eine Linke
der bedeutenden Persönlichkeiten, der Technokraten und der
Konformisten" gewesen, kritisierte der Sozialist. Ex-Schulministerin
Segolene Royal (PS) sprach sich dafür aus, "in den Schulen, in den
Lokalkörperschaften und auf europäischer Ebene neue Formen der
Demokratie zu erfinden".
Diese einstimmig geforderte Erneuerung wird nicht ohne personelle
Umbesetzungen erfolgen können. Die Sozialisten haben da am wenigsten
Probleme, zumal ihre Führungspersönlichkeit, Ex-Premier Jospin, sich
nach der Niederlage im ersten Durchgang der Präsidentenwahl aus dem
politischen Leben zurück gezogen hat. PS-Chef Hollande trug am
Sonntag einen ehrbaren Wahlsieg im zentralfranzösischen Wahlkreis von
Tulle (Correze) davon.
Wechsel an der Spitze von Grünen und Kommunisten wahrscheinlich
Bei den Grünen dagegen ist es fraglich, ob die geschlagene Voynet
an der Parteispitze bleiben kann. Ihr erster Konkurrent ist Noel
Mamere, der im südwestfranzösischen Begles wiedergewählt wurde und
als Präsidentschaftskandidat 5,3 Prozent der Stimmen erhalten hatte.
Nach Machtwechsel sieht es auch im Lager der Kommunisten aus. Der
geschlagene Robert Hue, der die PCF von Wahlschlappe in Wahlschlappe
führte, wird den bereits angekündigten KP-Sonderparteitag nicht
unbedingt unversehrt überstehen. (APA)