Nichts könnte weniger an friedlich-bukolische "Pastoralien" erinnern als diese bösen Erzählungen aus der amerikanischen Arbeitswelt. Obwohl, ist ein Job in einem Freilichtmuseum nicht etwas Wunderbares, eine verdienstvolle volksbildende Tätigkeit, mitten in der Natur? Na ja. Das Pärchen, das als Höhlenmann und -frau tagein, tagaus in einer finsteren Kaverne sitzen muss, auftragsgemäß grunzt und kreischt und so tut, als ob es Käfer und Würmer äße, dreht allmählich durch. Die Geschäftsleitung setzt die Darsteller gnadenlos mit Entlassungsdrohungen unter Druck. Sie werden aufgefordert, einander bei Verstößen gegen die Vorschriften zu denunzieren und wenn die Besucher, die die Troglodyten durch eine Beobachtungsklappe betrachten, die Vorstellung nicht gut finden, heißt es, um den Job zittern. Aber wer kann es sich schon leisten, aufzumucken wenn man daheim ein todkrankes Kind hat und keine Krankenversicherung.Ein unsäglicher Psychoguru gibt den Erniedrigten und Beleidigten im Eilverfahren ihr Selbstbewusstsein zurück, auf dass sie wieder klaglos funktionieren. Freilich wäre es für das arme Würstchen Neil ganz unmöglich, den Rat des Gurus zu befolgen, nämlich seine hinderliche, psychisch kranke Schwester einfach auf die Straße zu setzen. Mangels entsprechender Einrichtungen würde sie dort sterben. Die Stripteasetänzer fliegen raus, wenn sie nicht willfährig genug sind oder ihr Bauch nicht den Waschbrettnormen des über sie abstimmenden Publikums entspricht. Minderjährige Mütter verkommen in einem Wohnsilo und vertreiben sich die Zeit mit Talkshows, in denen Eltern vom Unfalltod ihrer Kinder erzählen. Saunders beschäftigt sich mit den schauerlichen und grotesken Nachtseiten einer scheinbar saturierten Gesellschaft. Er feiert die abstrusen, verschrobenen, unglücklichen Helden des Alltags, die zu Alten, zu Fetten, zu Verrückten, die von Anfang an Verlierer sind. Diese Geschichten sind in all ihrer Finsternis zutiefst human. Sie handeln von Menschen, die behandelt werden wie Abfall und die dennoch in einem Rest von Würde vegetieren oder sterben. (Ingeborg Sperl/DER STANDARD, Album, Printausgabe, Sa./So.,15.6.2002)