Der Streit zwischen der italienischen Mitte-rechts-Regierung und der Richterschaft des Landes hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Am 20. Juni werden die Richter streiken - aus Protest gegen die immer stärker werdenden Einmischungsversuche der Regierung. Die Regierung hat ohne breite Diskussion mit den zuständigen Institutionen und Standesvertretern eine Justizreform ausgearbeitet, die von den Betroffenen rundweg abgelehnt wird.So sollen die Zusammensetzung des Obersten Richterrats und auch die Arbeits- und Karrierebedingungen der Richter grundlegend geändert werden. Befürchtet wird eine starke politische Gängelung. Staatsanwälte etwa könnten unter das Weisungsrecht des Justizministeriums gestellt werden. Führende Vertreter des Richterstands führen die Angriffe auf die Autonomie der Justiz darauf zurück, dass gegen Premier Silvio Berlusconi und Dutzende prominente Mitglieder der Koalitionsparteien Prozesse anhängig sind. Deshalb versuche die Regierung, den Richtern die Arbeit zu erschweren. Neuer Generalstreik In Bedrängnis kommt die Regierung auch an einer anderen Front: Die stärkste Gewerkschaft des Landes hat für September einen neuen Generalstreik gegen die geplante Lockerung des Entlassungsschutzes ausgerufen. Arbeitsminister Roberto Maroni hatte den Gewerkschaften zwar zuletzt neue finanzielle Anreize als Tauschgeschäft für eine Lockerung des Entlassungsschutzes angeboten, diese zweifeln aber angesichts der leeren Staatskassen an der Seriosität des Angebots. Bereits ab kommender Woche müssen sich Italienurlauber auf eine ganze Serie von Streiks einstellen: Fluglotsen, Piloten und Begleitpersonal streiken am 19., 26. und 28. Juni sowie am 19. Juli. Die Eisenbahner legen am 5. Juli ihre Arbeit nieder, am 5. und am 8. Juli zudem werden keine Fährschiffe fahren. Der öffentliche Nahverkehr in den Großstädten wird am 21. Juni sowie am 11. und 12. Juli jeweils für vier Stunden still stehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2002)